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Politik

Enttäuschung über „Light“-Version der Diabetesstrategie

Freitag, 3. Juli 2020

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Berlin – Der Startschuss für eine nationale Diabetesstrategie ist gefallen. Der Bundestag hat den Antrag heute mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen aus Union und SPD be­schlossen. Die übrigen Parteien enthielten sich.

Grüne, Linke und FDP hatten zuvor unter anderem kritisiert, dass verbindliche Vorgaben etwa zur Zuckerreduktion und anderen ernährungsrelevanten Themen fehlen. Auch Poli­tikerinnen der SPD erklärten, sich in diesem Punkt nicht mit dem Koalitionspartner einig zu sein. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DGG) bezeichnete das Papier als „Light“-Ver­si­on einer Strategie.

Der jetzt beschlossene Antrag soll der Bundesregierung künftig als Leitlinie für Gesetzes­vorgaben dienen. In acht Eckpunkten listen die Koalitionsfraktionen mögliche Maßnah­men auf, die allerdings nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landes und Kommunal­ebene umgesetzt werden müssten.

Zu ihren Vorschlägen zählen unter anderem eine Kassenversorgung von Adipositaspa­tienten auch schon in frühen Stadien, die weitere Verbesserung und Vereinheitlichung von Disease-Management-Programmen der Krankenkassen sowie eine stärkere Veranke­rung der Themen Ernährung und Sport in der Aus- und Weiterbildung von Ärzten.

Darüber hinaus gehört dazu die gezielte Datenerfassung und -nutzung zu Diabetes in Deutschland auf nationaler und regionaler Ebene sowie mehr finanzielle Förderung für Forschung und Information. Zudem erkenne die Strategie Adipositas, den größten Diabe­tesrisikofaktor, erstmals als Krankheit an, erklärte Unionsfraktionsmitglied Alexander Krauß. Damit sei ein wichtiger Schritt für die fachgerechte Behandlung Betroffener getan.

Ernährung ohne verbindliche Ziele

Im Bereich Ernährung hatte man sich nicht auf verbindliche Ziele einigen können. Vorge­sehen ist weiterhin, sich mit der Lebensmittelindustrie auf freiwillige Selbstverpflichtun­gen zu einigen, etwa bei der Reduzierung des Zuckergehalts in Limonaden. Die Unions­frak­tionen hatten sich im Vorfeld des Beschlusses bereits gegen eine Zuckersteuer oder Verbote etwa für die Werbung von stark zuckerhaltigen Kinderlebensmitteln ausgespro­chen.

Man habe lange mit dem Ernährungsflügel der Union um verbindliche Maßnahmen ge­run­gen, erklärte Sabine Dittmar, die für die SPD im Gesundheitsausschuss sitzt. „Die SPD befürwortet strengere Maßnahmen“, betonte Dittmar. Man werde genau hinschauen, ob die Industrie sich an die freiwillig vereinbarten Ziele halte. Zudem widerholte sie die For­derung der SPD, dass die Diabetesstrategie in ein ressortübergreifendes Präventionsge­setz münden müsse, das alle chronischen Erkrankungen abdecke.

Petra Sitte, parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, kritisierte, dass in dem Papier keine Zeitvorgaben gemacht werden, wann der Gesetzgeber aktiv werden soll. „Diabetes wurde bereits vor zehn Jahren zu einer weltweiten Pandemie erklärt, wir sind also bereits sehr spät dran“, so Sitte. Man habe sich von der Strategie mehr erwartet.

Sie wies darauf hin, dass Bewegungsmangel oftmals auch berufsbedingt sei. In dem Pa­pier wird in diesem Zusammenhang angeregt, das Präventions- und Bewegungsangebot des Olympischen Sportbundes auszubauen und die Zusammenarbeit mit dem gemein­nüt­zigen Sport zu stärken. Ansätze zur Verbesserung der Bewegungssituation am Arbeits­platz sind nicht erfasst.

Das Problem eines regionalen Versorgungsfleckenteppichs werde durch die von der Koali­tion vorgelegte Strategie nicht beseitig, so Kirsten Kappert-Gonther, stellvertretende Frak­tionsvorsitzende und Gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. „Die Versorgung von Diabetespatienten hängt in Deutschland noch immer vom Wohnort ab.“ Auch sie kri­tisierte, dass das Papier weiterhin auf Eigenverantwortung des Einzelnen setze statt auf Reglungen für gesündere Lebensmittel. Ein eigener Antrag der Grünen, der strengere Vor­gaben vorsah wurde abgelehnt.

Die DGG spricht im Zusammenhang mit der nun beschlossenen Strategie von einer „Light“-Version. Zwar begrüße man die heutige Verabschiedung im Bundestag, erklärte DDG-Präsidentin Monika Kellerer. Doch in dem Beschluss fehlten wesentliche Bausteine. „Es kann sich bei der nationalen Diabetesstrategie nur um einen ersten Aufschlag han­deln, nun müssen den Willensbekundungen auch Taten folgen“, so Kellerer.

Insbesondere der Bereich Ernährung käme zu kurz, hieß es aus der DDG. In Bezug auf Softdrinks etwa nenne die Diabetesstrategie weiterhin nur das Ziel einer freiwilligen Zuckerreduktion von 15 Prozent bis Ende 2025.

Auch die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten DANK kritisierte die Inhalte zur Prävention als grob unzureichend. Nur eine Maßnahme sei als Fortschritt zu bezeichnen: Kinderlebensmittel sollen künftig dem Nährwertprofil der WHO entsprechen. „Damit könnten endlich die überzuckerten Kinder-Frühstücksflocken aus den Regalen verschwin­den“, sagte DANK-Sprecherin Barbara Bitzer. Sie fordert ein nationales Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel.

Im Zuge der Beschlussfassung zur nationalen Diabetesstrategie wurde heute auch ein An­trag der AfD besprochen. Darin schlägt die Fraktion vor, eine Nahrungsergänzung mit Vi­tamin D für alle Versicherten zu einer Kassenleistung zu machen. In ihrem Antrag unter­stellen die Autoren einen Vitamin-D-Mangel in Deutschland mit dessen Beseitigung sich schwere Verläufe bei einer COVID-19-Erkrankung reduzieren ließen.

FDP-Fraktionsmitglied Andrew Ullmann, der unter anderem im Bereich Infektiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg lehrt, warf den Antragstellern vor, in ihrem Papier Korrelation und Kausalität sowie die Begriffe In vitro und In vivo miteinander zu verwechseln. Alle Fraktionen außer der AFD lehnten den Antrag ab. © alir/aerzteblatt.de

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