NewsMedizinUSA: Übersterblichkeit übertrifft die Zahl der gemeldeten Todesfälle an COVID-19
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Medizin

USA: Übersterblichkeit übertrifft die Zahl der gemeldeten Todesfälle an COVID-19

Freitag, 3. Juli 2020

Im März wurde ein provisorisches Krankenhaus aufgrund der Coronapandemie im Central Park in New York aufgebaut. /picture alliance/dpa | Christina Horsten

New Haven/Richmond – Die Sterblichkeit der Bevölkerung ist in den USA in den letzten Monaten stärker angestiegen, als die offiziellen Zahlen zu den tödlichen COVID-19-Fälle vermuten lassen. Nach ersten Analysen der Todesfallstatistik, die im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2020; doi: 10.1001/jama.2020.11787) und JAMA Internal Medicine (2020; doi: 10.1001/jamainternmed.2020.3391) veröffentlicht wurden, hat auch die Zahl der Todesfälle durch andere Erkrankungen zugenommen.

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat in den betroffenen Regionen deutliche Auswirkungen auf die Gesamtmortalität der Bevölkerung. In der italienischen Ortschaft Nembro in der Provinz Bergamo sind beispielsweise im März dieses Jahres fast 11 Mal so viele Menschen gestorben wie im Durchschnitt des gleichen Monats in den Vorjahren. Jetzt liegen erste Zahlen aus den USA vor, dem Land mit den derzeit meisten Todesfällen.

Wie Daniel Weinberger von der Yale Universität in New Haven/Connecticut und Mitarbeiter berichten, sind in den USA in den Monaten März bis Mai insgesamt 780.975 Todesfälle aufgetreten. Das sind 122.300 mehr als im gleichen Zeitraum in den Vorjahren. Der relative Anstieg der Todesfälle um 18,5 % unterschätzt die Auswirkungen jedoch, da die Epidemie in den ersten Monaten auf wenige Städte und Staaten beschränkt waren. In der Stadt New York, dem ersten Epizentrum in den USA, sind in den Monaten März bis Mai fast dreimal so viele Menschen gestorben wie im langjährigen Mittel (38.170 versus 13.000). Auch im Gesamtstaat New York sowie in New Jersey, Pennsylvania, Michigan und Massachusetts ist es zu einer deutlichen Übersterblichkeit gekommen.

Die Zunahme der Todesfälle liegt um 28 % über den gemeldeten Todesfällen an COVID-19 (95.235 bis Ende Mai). Damit stellt sich die Frage, ob nicht alle COVID-19-Todesfälle erkannt wurden oder ob einige Menschen an anderen Erkrankungen gestorben sind, weil sie nicht die notwendige Behandlung erhalten haben. Dies könnte an einer Überforderung des Gesundheitswesens liegen oder daran, dass die Patienten aus Angst vor einer Infektion den Gang zum Arzt oder ins Krankenhaus vermeiden. Auch die gesellschaftliche Folgen der Epidemie wie Arbeitslosigkeit oder soziale Isolierung könnten für Todesfälle etwa durch Suizide oder Substanzabhängigkeit verantwortlich sein, befürchtet Steven Woolf von der Virginia Commonwealth University School of Medicine in Richmond. Sein Team hat hierzu die Daten für den Zeitraum vom 1. März bis zum 25. April näher untersucht.

Tatsächlich ist es in dieser Zeit in den fünf am meisten betroffenen Bundesstaaten zu einem Anstieg der Todesfälle an Herzerkrankungen um 89 % und an Schlaganfällen um 35 % gekommen. In der Stadt New York betrug der Anstieg der Sterblichkeitsrate bei Herzer­krankungen sogar 398 %. Ein Diabetes wurde zu 356 % häufiger als Todesursache genannt.

Bei Herzerkrankungen und Schlaganfällen könnte die Übersterblichkeit teilweise auf Versorgungsdefizite und den Verzicht auf Behandlungen zurückzuführen sein. Gestiegen ist (um 64 % in den fünf Staaten) allerdings auch die Zahl der Menschen, die an Morbus Alzheimer gestorben sind. Hier liegt die Vermutung nahe, dass darunter viele Fälle von Menschen aus Pflegeheimen sind, die an COVID-19 gestorben sind, bei denen aber auf den Nachweis von SARS-CoV-2 verzichtet wurde.

In Deutschland ist es nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes von der 13. bis 18. Kalenderwoche (23. März bis 3. Mai) zu einem Anstieg der Sterbefallzahlen gekommen. In der 15. Kalenderwoche (6. bis 12. April) starben 14 % mehr Menschen als in den Jahren zuvor. Auch die beim Robert Koch-Institut registrierten COVID-19-Todesfälle erreichten in dieser Woche ihren Höchststand. Ab der 19. Kalenderwoche (4. bis 10. Mai) lagen die Sterbefallzahlen wieder im Bereich des Durchschnitts der Vorjahre. © rme/aerzteblatt.de

LNS
LNS LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Archiv

    NEWSLETTER