Medizin
SARS-CoV-2: Rekonvaleszente haben hochpotente neutralisierende Antikörper
Mittwoch, 8. Juli 2020
Köln – Ein deutsches Forscherteam hat im Blut von Personen, die sich von einer milden Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 erholt haben, gleich 28 verschiedene neutralisierende Antikörper gefunden, die die Grundlage für ein Antikörper-Präparat schaffen, das noch in diesem Jahr klinisch getestet werden könnte.
Die breite Reaktion des Immunsystems lässt laut dem Bericht in Cell (2020; DOI: 10.1016/j.cell.2020.06.044) auch auf eine langdauernde Immunität und eine gute Wirkung einer Impfung hoffen.
Die Antikörper, die bei einer Infektion gezielt die Erreger angreifen und später vor einer erneuten Infektion schützen sollen, werden von B-Zellen gebildet. Diese B-Zellen lassen sich aus dem Blut isolieren. In der DNA dieser Zellen befinden sich die Baupläne der Antikörper. Mit ihrer Kenntnis können die Antikörper dann in Zellkulturen in unbegrenzter Menge hergestellt werden. Antikörper-Präparate haben sich bereits in der Behandlung von Ebolapatienten bewährt.
Weltweit haben sich Forscherteams auf die Suche nach Antikörpern begeben und mehrere sind bereits fündig geworden. Doch nicht alle Antikörper, die das Virus erkennen, können eine Infektion verhindern. Dies gelingt in der Regel nur mit Antikörpern, die an der Rezeptorbindungsstelle an der „Spitze“ des Spike-Proteins ansetzen.
Wissenschaftlern aus mehren deutschen Universitäten und dem Weizmann Institute of Science in Israel ist es jetzt gelungen, aus dem Blut von 7 Infizierten 255 Antikörper zu isolieren, die an SARS-CoV-2 binden. Darunter waren 28 Antikörper, die in Zellkulturen eine Infektion verhinderten und deshalb als neutralisierende Antikörper bezeichnet werden.
Diese Antikörper werden laut der Pressemitteilung der Universität Köln aktuell zusammen mit dem Hersteller Boehringer Ingelheim weiter charakterisiert und entwickelt und sollen nach Möglichkeit noch in diesem Jahr im Rahmen von klinischen Studien untersucht werden.
Die Antikörper wurden bei den Patienten frühzeitig (8 bis 36 Tage nach der Diagnose) gebildet, und sie dürften mit für den milden Verlauf der Infektion verantwortlich gewesen sein: 5 Personen erkrankten nur leicht mit Husten, Fieber und Dyspnoe, 2 waren asymptomatisch geblieben. Wie das Team um Florian Klein von der Uniklinik Köln berichtet, erkannten 27 der 28 Antikörper die Rezeptorbindungsstelle des Virus, was die gute neutralisierende Wirkung erklären dürfte.
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Die Forscher führen die rasche und effektive Immunantwort darauf zurück, dass die Antikörper kaum Anzeichen eines längeren Reifungsprozesses aufweisen. Die Keimbahn-nahen Antikörper mussten sich nur wenig anpassen, um das Virus effektiv erkennen und neutralisieren zu können.
Interessanterweise konnten die Wissenschaftler ähnliche Antikörper in Blutspenden nachweisen, die aus der Zeit vor der Pandemie stammen. Sie könnten nach Infektionen mit einer Reihe anderer Coronaviren entstanden sein, die seit längerem existieren, beim Menschen aber in der Regel nur leichte Infektionen auslösen.
Die Antikörper könnten, wenn sie sich in klinischen Studien als effektiv und sicher erweisen sollten, sowohl zum Schutz vor einer Infektion als auch zur Therapie bei COVID-19 eingesetzt werden. Zudem ist ein Einsatz zur sogenannten Postexpositionsprophylaxe vorstellbar, um Personen, die Kontakt mit Infizierten hatten, vor einer Erkrankung zu schützen. © rme/aerzteblatt.de

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