Medizin
Italien: Tatsächliche Zahl der Coronatoten unterschätzt
Montag, 20. Juli 2020
Palermo - In Italien sind – wie es auch schon in anderen Ländern beobachtet wurde– sehr viel mehr Menschen durch die Coronapandemie gestorben als die offiziellen Todeszahlen vermuten lassen. Diese „unterschätzen den tatsächlichen Mortalitätsanstieg erheblich“, wie Wissenschaftler der Universität Palermo in JAMA Internal Medicine berichten (DOI: 10.1001/jamainternmed.2020.2543).
Bis Ende April waren in Italien 27.682 Todefälle durch COVID-19 festgestellt worden. Die Gesamtmortalität war allerdings im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen um mehr als 100 Prozent angestiegen.
Erstautor Manfredi Rizzo und seine Kollegen gehen deshalb davon aus, dass mehr Menschen an SARS-CoV-2 gestorben sind als gezählt wurden. Eine weitere Erklärung für die hohe Mortalität könnten den Autoren zufolge Todesfälle durch Grunderkrankungen sein, die durch das Virus verschlimmert wurden. Aber auch eine zu späte Behandlung von Krankheiten durch das Meiden von Krankenhäusern oder die Überlastung der Krankenhäuser in der Coronapandemie ziehen sie in Betracht.
Die Wissenschaftler analysierten die offiziellen Mortalitätsstatistiken von 1.689 italienischen Gemeinden (knapp ein Viertel des Landes) für die Jahre 2015 bis 2020. In diesen Gemeinden hatte es mehr als zehn Todesfälle gegeben und die Mortalität war von 1. März bis 4. April 2020 um mindestens 20 Prozent angestiegen.
In diesem Zeitraum wurden demnach 41.329 Todesfälle gemeldet, ein Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren um 104,5 Prozent. Von 2015 bis 2019 waren in dieser Zeit im Schnitt jeweils 20.214 Menschen verstorben.
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Anstieg vor allem bei Männern, Älteren und in der Lombardei
Besonders auffällig seien die Unterschiede zu den Vorjahren bei Männern, älteren Menschen und in der von COVID-19 stark betroffenen Region Lombardei gewesen, schreiben die Wissenschaftler.
In den Jahren von 2015 bis 2019 waren in dem Zeitraum immer weniger Männer verstorben als Frauen (im Schnitt 9395 verglichen mit 10.819 Todesfällen). Doch in 2020 kam es bei Männern zu 21.266 Todesfällen und bei Frauen zu 20.063. Für Männer lag der Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren somit bei 126,4 Prozent und für Frauen bei 85,4 Prozent.
Eine ähnliche Entwicklung war in der älteren Bevölkerung zu beobachten: Von 1. März bis 4. April 2020 starben in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen 5.417 Menschen – in den Vorjahren waren es im gleichen Zeitraum im Schnitt 2.566 gewesen, ein Anstieg um 111 Prozent.
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Bei den Menschen über 74 Jahren betrug der Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren 109,4 Prozent, die Todesfälle stiegen von im Schnitt 15.677 auf 32.829 in 2020.
Von den 41.329 berichteten Todesfällen für den Zeitraum von 1. März bis 4. April waren 19.824 dem Corona-Hotspot Lombardei zuzuordnen. Im Vergleich zum Vorjahr 2019 starben dort 12.576 mehr Menschen, ein Anstieg um 173,5 Prozent. © nec/aerzteblatt.de

Erkrankte aus Krankenhäusern wurden in Altenheime überführt (Norditalien)
Dazu kam: Überalterung, höchste Zahl von Antibiotikaresistenzen, marodes und kaputt gespartes Gesundheitssystem, das auch schon in den Vorjahren bei jeder Grippewelle an seine Grenzen kam, extreme Feinstaub-Belastung etc. etc.

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