Medizin
Reproduktionsmedizin: Spermien schwimmen wie Otter, nicht wie Aale
Montag, 3. August 2020
Bristol – Menschliche Spermien bewegen sich anders fort, als lange angenommen. Mit neuartiger 3-D-Technik wies ein Team der britischen Universität Bristol und der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) nach, dass sich der Schwanz der Spermien nicht aalgleich hin und her bewegt, sondern nur in eine Richtung ausschlägt, während sich der Kopf zugleich rasend schnell um die eigene Achse dreht.
Die Schwimmbewegung gleiche damit spielerischen Ottern, die sich korkenzieherartig durch das Wasser drehen, schreiben die Forscher in Science Advances (2020; DOI: 10.1126/sciadv.aba5168). Ihre Arbeit könne wesentlich dazu beitragen, neue Werkzeuge zur Identifizierung ungesunder Spermien zu entwickeln.
Die Entdeckung, dass sich Spermienschwänze wie Aale vorwärts schlängeln, wurde vor mehr als 300 Jahren von dem niederländischen Wissenschaftler Antonie van Leeuwenhoek festgehalten. Er verwendete dazu eines der frühsten von ihm selbst entwickelten Mikroskope.
Was er dadurch gesehen zu haben glaubte, sei allerdings eine optische Illusion gewesen, schreiben Hermes Gadêlha von der Universität Bristol und die UNAM-Forscher Gabriel Corkidi und Alberto Darszon. Die schnelle und synchronisierte Fortbewegung erscheine nur von oben durch ein 2-D-Mikroskop betrachtet wie ein Hin und Herschlagen des Schwanzes.
Das Forscherteam verwendete nun neuste 3-D-Mikroskop-Technik und Mathematik, um die genauen Bewegungen der Spermien sichtbar zu machen. Eine High-Speed-Kamera zeichnete dafür 55.000 Bilder pro Sekunde auf, während eine mikroskopische Vorrichtung die Proben in hoher Geschwindigkeit auf und ab bewegte. Auf diese Weise entstand ein 3-D-Scan der schwimmenden Spermien.
Darauf war zu erkennen, dass der Schwanz der Spermien, anders als vermutet, nur in eine Richtung ausschlägt. Um nicht im Kreis zu schwimmen, drehen sich die Köpfe der Spermien zugleich um die eigene Achse.
„Unsere Entdeckung zeigt, dass Spermien eine Schwimmtechnik entwickelt haben, die ihren einseitigen Schwanzausschlag ausgleicht, damit haben sie auf geniale Weise ein mathematisches Problem in mikroskopischem Maßstab gelöst “, wird Gadêlha in einer Mitteilung der Universität Bristol zitiert, wo er unter anderem als Experte für Fruchtbarkeitsmathematik tätig ist.
Die 3-D-Technik eröffne neue Möglichkeiten für die Fruchtbarkeits- und Reproduktionsforschung – auch mit Blick auf ungewollte Kinderlosigkeit, die in fünfzig Prozent der Fälle durch männliche Faktoren bedingt sei.
Computerassistierte Samenanalysen würden sowohl in der Forschung als auch in Behandlungskliniken bis heute mit einer 2-D-Technik untersucht, die weiterhin ein falsches Bild von der Fortbewegung der Spermien vermittelte. Die neue Technik werde das Verständnis der Spermienmotilität revolutionieren und großen Einfluss auf die natürliche Befruchtung haben, wird UNAM-Forscher Darszon in der Mitteilung zitiert. © alir/aerzteblatt.de
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