Medizin
REM-Schlaf kann das Essverhalten beeinflussen
Montag, 10. August 2020
Basel – Die Regionen des Gehirns, die die Traumphasen und die Gedächtnisbildung während des Schlafs steuern, beeinflussen möglicherweise auch unser Essverhalten. Bei Mäusen konnten Forscher in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS 2020; doi: 10.1073/pnas.1921909117) durch eine Hemmung des lateralen Hypothalamus Essstörungen auslösen.
Die REM-Phasen, die nach den raschen Augenbewegung („rapid eye movement“ REM) benannt sind, gehören zu den rätselhaftesten Phänomenen des Schlafs. Ursprünglich wurden sie nur mit dem Träumen in Verbindung gebracht, denen – außer in der Psychoanalyse – wenig Bedeutung beigemessen wurde. Inzwischen gelten die REM-Phasen als wichtiger Motor für das Lernen und die Gedächtniskonsolidierung im Schlaf, bei Kindern und Jugendlichen können sie sogar die sensomotorische Entwicklung fördern.
Das neuronale Substrat der REM-Phasen wird unter anderem im lateralen Hypothalamus vermutet. Diese kleine, in der Evolution kaum veränderte Struktur zeigt während des REM-Schlafs eine erhöhte Aktivität. Im Wachzustand orchestrieren die Nervenzellen aus diesem Hirnareal den Appetit und die Nahrungsaufnahme und sie spielen eine wichtige Rolle bei Motivation und Suchtverhalten.
Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass Menschen mit einem gestörten REM-Schlaf zu einer Gewichtszunahme und Adipositas neigen. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.
Ein Team um Antoine Adamantidis vom Inselspital Bern hat die Zusammenhänge jetzt an Mäusen untersucht. Die Forscher implantierten den Tieren eine Sonde in die Nähe des lateralen Hypothalamus, um die Hirnaktivität aufzuzeichnen. Tatsächlich kam es während der Nahrungssuche oder -aufnahme zu einer veränderten Aktivität. Dies bestätigt, dass die untersuchte Hirnregion auf die Nahrungsaufnahme reagiert und sie vielleicht sogar beeinflusst.
Die nächtlichen Ableitungen zeigten, dass die Nahrungsaufnahme einen Einfluss auf den REM-Schlaf hat. Aktivitätsmuster der Zellen im lateralen Hypothalamus, die während des Wachzustands eine Nahrungsaufnahme signalisierten, tauchten auch während des REM-Schlafes auf.
In einem weiteren Experiment haben die Forscher untersucht, ob sie durch das Abschalten der Neurone im lateralen Hypothalamus das Essverhalten der Mäuse verändern können. Dies würde beweisen, dass die Veränderungen im REM-Schlaf nicht nur eine Reaktion auf das Essverhalten sind, sondern dieses aktiv beeinflussen. Die Forscher führten hierzu optogenetische Experimente durch. Dabei wird (durch stereotaktische Injektion) ein Gen in die Zellen eingebaut, das auf einen Lichtreiz hin die Aktivität der Zelle hemmt.
Die Forscher konnten tatsächlich zeigen, dass sich das Fressverhalten der Tiere verändert, wenn während der REM-Phasen des Schlafes die Zellen des lateralen Hypothalamus ausgeschaltet wurden. Diese Veränderung der Aktivitätsmuster war teilweise noch vier Tagen nach dem Ende des Experiments nachweisbar.
Die Ergebnisse zeigen nach Einschätzung von Adamantidis, dass der REM-Schlaf das Essverhalten deutlich beeinflussen kann. Für das Wohlbefinden und eine geregelte Nahrungsaufnahme seien möglicherweise nicht allein die Schlafdauer, sondern auch die Schlafqualität entscheidend. © rme/aerzteblatt.de
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