Medizin
Neurodermitis: Genvarianten schädigen die Hautbarriere
Mittwoch, 26. August 2020
Cincinnati – 2 Mutationen im KIF3A-Gen können über eine vermehrte DNA-Methylierung die Bildung eines Proteins verhindern, das für die Barrierefunktion der Haut benötigt wird. Die Studie in Nature Communications (2020; DOI: 10.1038/s41467-020-17895-x) erklärt plausibel, warum die Genvarianten das Risiko auf eine Neurodermitis (atopische Dermatitis) erhöhen.
Ähnliche Mechanismen könnten für das erhöhte Risiko von Asthma-Erkrankungen und Nahrungsmittel-Allergien verantwortlich sein.
In sogenannten Genom-weiten Assoziationsstudien (GWAS) werden immer wieder Genvarianten, sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP) entdeckt, die das Risiko auf bestimmte Erkrankungen erhöhen. Nicht immer liegt der Assoziation eine Kausalität zugrunde und noch seltener lässt sich das erhöhte Risiko biologisch plausibel erklären.
Auch bei den SNP „rs11740584“ und „rs2299007“ war bislang unklar, auf welche Weise sie das Risiko von Kindern auf eine atopische Dermatitis erhöhen. Die SNP befinden sich in dem Gen KIF3A. Es enthält den Bauplan für eine Untereinheit von Kinesin-2, einem Bestandteil von Zilien, die sich auf der Oberfläche verschiedener Zellen befinden und dort unterschiedliche Aufgaben haben.
Ein Team um Gurjit Hershey von der Kinderklinik in Cincinnati hat zunächst herausgefunden, dass die SNP „rs11740584“ und „rs2299007“ zur Bildung von sogenannten CpG-Dinukleotiden in der DNA führen, an die häufig Methylgruppen angeheftet werden, was die Expression, also die Umsetzung in ein Protein, verhindert. Dies ist auch bei den SNP „rs11740584“ und „rs2299007“ der Fall. Bei diesen Genvarianten kommt es zu einer verminderten Expression von KIF3A, was Hershey in einer Studie an 56 Probanden zeigen konnte, deren SNP-Status bekannt war.
Die Forscher bestimmten in Zellen, die mit Klebstreifen von der Epidermis entfernt wurden, zunächst die DNA-Methylierung und später auch die Expression des Gens KIF3A. Die Ergebnisse entsprachen den Erwartungen. Träger der beiden SNP „rs11740584“ und „rs2299007“ hatten eine vermehrte DNA-Methylierung des Gens KIF3A und in deren Folge eine verminderte Expression des Genprodukts.
An Mäusen, die das Gen KIF3A vermindert exprimierten, haben die Forscher dann die Auswirkungen auf den transepidermalen Wasserverlust (TEWL) untersucht. Ein vermehrter TEWL hat eine vermehrte Trockenheit der Haut zur Folge, die ein zentrales Kennzeichen der atopischen Dermatitis ist. Tatsächlich ging die verminderte Expression des Gens KIF3A mit einem vermehrten TEWL einher und die Tiere zeigten auch eine zunehmende Hauttrockenheit.
Auf die Exposition mit Schimmelpilzen hin kam es zu einer allergischen Reaktion. Dies entspricht der Pathogenese der atopischen Dermatitis, bei der eine vermehrte TEWL eine Störung der Hautbarriere zur Folge hat, die allergische Reaktionen begünstigt (weil das Immunsystem leichter auf Allergene reagieren kann).
Die Steigerung der TEWL konnte bei den Mäusen auf Störungen der „Tight junctions“ und anderer Verbindungen zurückgeführt werden, die die Keratinozyten der Haut normalerweise fest miteinander verschweißen. Fehlen diese Verbindungen, kann Wasser zwischen den Zellen nach außen gelangen und verdunsten. Die Folge ist ein Anstieg des TEWL.
Hershey untersucht derzeit in einer klinischen Studie an 600 Kindern, ob der Klebebandtest zur Quantifizierung der KIF3A-Expression bei Säuglingen genutzt werden kann, um die spätere Entwicklung einer atopischen Dermatitis vorherzusagen.
Ähnliche Pathomechanismen wie in der Haut sind auch in den Atemwegen und im Darm denkbar. Wenn die verminderte Expression von KIF3A auch dort den Zusammenhalt der Schleimhaut vermindert, kann dies das Eindringen von Allergenen erleichtern.
Dies würde erklären, warum Kinder mit den beiden SNP „rs11740584“ und „rs2299007“ im späteren Leben häufiger an Asthma und Lebensmittelallergien erkranken. © rme/aerzteblatt.de
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