Politik
Leitlinie für Schwangerschaftsabbrüche geplant
Mittwoch, 19. August 2020
Berlin – Für Schwangerschaftsabbrüche soll es künftig eine Leitlinie geben. Auf die Beratung von betroffenen Frauen wird ein verstärktes Augenmerk gelegt. Das sieht ein Konzept vor, das Bundesärztekammer (BÄK) und Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemeinsam erarbeitet haben. Das Papier liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Es sei wichtig, dass Frauen in einer solch schwierigen Lage sicher sein könnten, dass sie mit guter fachlicher Qualität medizinisch begleitet werden, hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kürzlich zu dem Papier erklärt.
Das Konzept geht auf Pläne zur Reform des Paragrafen 219a zurück, mit dem die Informationen über Schwangerschaftsabbrüche verbessert werden sollten. Das Gesetz ist seit dem 29. März 2019 in Kraft. In diesem Zusammenhang hatte die Bundesregierung auch den Beschluss gefasst, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Fortentwicklung der Qualifizierung von Ärzten beitragen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Ursprünglich war bereits in einem Eckpunktepapier des Ministeriums vorgesehen gewesen, die Qualifizierung von Ärzten zu Methoden des Schwangerschaftsabbruchs zu verbessern. Im Gesetzentwurf war der Aspekt aber dann gestrichen worden. Er sollte „in nächster Zeit parallel bearbeitet werden“, hieß es im Februar 2019.
Konzept gelungen
Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Heidrun Gitter, bezeichnete das Ergebnis heute im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt als „extrem gelungen“. Es habe eine „sehr, sehr gute Absprache“ mit dem Ministerium gegeben. Das Konzept zeige klar auf, welche Zuständigkeiten bei Bund, Ländern und auch Ärztekammern lägen – und wer wo was verbessern könne.
Grundsätzlich kommen BÄK und BMG zu dem Ergebnis, dass Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, bereits die erforderlichen Kompetenzen vermittelt werden. Das gelte sowohl für Aus-, Fort- und Weiterbildung, heißt es. Das Papier zeigt auch Aspekte auf, wo Verbesserungen möglich sind.
Als ein Baustein des Konzeptes ist demnach eine evidenzbasierte nationalen Leitlinie zum sicheren Schwangerschaftsabbruch vorgesehen. Koordinieren soll die Arbeit die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Die Arbeit soll mit Mitteln aus dem BMG gefördert werden. Die Leitlinie soll bestehende Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Thematik „Sichere Schwangerschaftsabbrüche“ einbeziehen.
Gitter hofft, dass die Leitlinie Ärzten zusätzliche Sicherheit geben kann und dies positive Effekte auf die Zahl der Ärzte hat, die solche Eingriffe vornehmen. Sie könne sich vorstellen, dass die Akzeptanz dafür, dass man Frauen in Notlagen helfen müsse, „noch weiter steigt“, sagte sie. Sie hofft darauf, dass eine Leitlinie in wenigen Monaten vorliegt, da die Grundlagen bereits existieren würden. „Hier muss das Rad nicht neu erfunden werden“, so Gitter.
Schwerpunkt auf Beratung
Handlungsbedarf sieht das Konzept unter anderem auch in der Ausbildung der Ärzte. „Wie dargestellt lässt sich die Beratung der Frauen, die einen straffreien Schwangerschaftsabbruch durchführen möchten, nicht in dem Umfang in der ärztlichen Ausbildung wiederfinden, wie sie für die Praxis von Relevanz ist“, so das Konzept.
Daher solle künftig das Thema Schwangerschaftsabbrüche und die Aufklärung und Beratung der Frauen im Studium intensiviert werden. Mit der geplanten Änderung der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) werde die Arzt-Patienten-Kommunikation künftig ein stärkeres Gewicht in der ärztlichen Ausbildung erhalten. Im Rahmen der ärztlichen Ausbildung werde somit auch die Beratung der Frauen in Bezug auf die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs perspektivisch eine größere Bedeutung als bisher erlangen.
Im Studium sollen somit theoretisches Wissen sowie Kommunikations- und Beratungskompetenz im Fokus stehen. Die praktische Durchführung eines Abbruchs sei hingegen weiterhin Teil der Weiterbildung. „Auch wenn die Möglichkeit der Vermittlung erster praktischer Grundlagen nicht ausgeschlossen wird, können die für die Durchführung eines Abbruchs erforderlichen Kompetenzen und praktischen Erfahrungen erst in der Weiterbildung vermittelt und erworben werden“.
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In Bezug auf die Weiterbildung sieht das Konzept einen sogenannten Weiterbildungsplan vor, der als Leitfaden dienen soll. Dieser wird für das Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe derzeit erarbeitet und soll Details zum Thema Schwangerschaftsabbruch enthalten.
Bei dem Weiterbildungsplan handle es sich um Musterabläufe für die Weiterbildung, wie die von den Ärztekammern vorgegebenen Inhalte am besten und sinnvollsten erfüllt werden könnten, so Gitter. In dem fachlich empfohlenen Weiterbildungsplan sei es „sehr sinnvoll“, wenn Vorschläge enthalten seien, wie das Thema Schwangerschaftsabbruch in Theorie und Praxis vermittelt werden soll.
Gitter betonte, aus ihrer Sicht müssten zum einen die Rechtsgrundlagen – wie muss eine Beratung aussehen und ablaufen, wie sind die Rechtsvorschriften des Schwangerschaftskonfliktgesetzes – vermittelt werden. Zum anderen natürlich die medizinischen Möglichkeiten wie der medikamentöse oder instrumentelle Abbruch.
Diese sollten nach Möglichkeit „theoretisch und auch praktisch“ beigebracht werden. Es sei auch zu überlegen, Ärzte in Weiterbildung – auf freiwilliger Basis – unter Aufsicht einen solchen Eingriff durchführen zu lassen.
Das Papier von BMG und BÄK sieht darüber hinaus vor, die Fortbildungen zu verbessern. Es sei wichtig, dass allen Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder durchführen möchten, ein ausreichendes Angebot an Fortbildungen zur Verfügung steht, um die eigenen Kenntnisse und Kompetenzen zu den Methoden fortlaufend weiterentwickeln zu können, heißt es.
Das sollen die Fachgesellschaften, Berufsverbände und die Kammern gemeinsam sicherstellen. Gitter betonte, dass es auch „Refresher“-Fortbildungen geben solle, für Kollegen, die ihr Wissen zum Thema grundsätzlich auffrischen wollten. © may/aerzteblatt.de

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