Medizin
BCG-Impfung schützt ältere Menschen in Studie vor Atemwegsinfektionen
Montag, 21. September 2020
Athen – Eine Impfung mit dem über 100 Jahre alten Tuberkuloseimpfstoff BCG hat in einer randomisierten Studie bei Senioren die Zahl der Atemwegsinfektionen deutlich gesenkt.
Der Grund könnte nach den in Cell (2020; DOI: 10.1016/j.cell.2020.08.051) publizierten Ergebnissen eine unspezifische Aktivierung der Immunabwehr sein. Ob eine solche „trainierte Immunität“ auch vor COVID-19 schützen könnte, ist derzeit unklar.
Mediziner am Universitätskrankenhaus Attikon in Athen hatten im September 2017 begonnen, Patienten im Alter von über 65 Jahren bei der Entlassung mit BCG oder Placebo zu impfen. Die Idee zur ACTIVATE-Studie lieferten die Erfahrungen aus Entwicklungsländern, wo Kleinkinder im Anschluss an eine BCG-Impfung nicht nur vor der Tuberkulose geschützt waren.
Es kam in der ersten Zeit nach der Impfung auch seltener zu anderen Erkrankungen, die bei Kindern in erster Linie die Atemwege betreffen und durch Viren ausgelöst werden. Eine ähnliche „trainierte Immunität“ wurde auch nach Masern- und Polioimpfungen beobachtet. In experimentellen Studien lässt sie sich mit dem Gelbfieberimpfstoff oder einem experimentellen Malaria-Impfstoff erzielen.
Niederländische Forscher hatten das Konzept vor einigen Jahren in einer Pilotstudie an 40 jungen Erwachsenen erprobt. Diese hatten zunächst eine BCG-Impfung oder Placebo und 14 Tage später eine Impfung gegen die Influenza A(H1N1) erhalten.
Wie das Team um Mihai Netea vom Radboud Universitair Medisch Centrum in Nijmegen später im Journal of Infectious Diseases (2015; DOI: 10.1093/infdis/jiv332) berichtete, entwickelten die Probanden, die die echte BCG-Impfung erhalten hatten, nach der späteren Grippeimpfung höhere Antikörpertiter.
Das niederländische Team hat jetzt auch ihre griechischen Kollegen mit immunologischen Tests an den Teilnehmern der ACTIVATE-Studie unterstützt. Die Studie sollte noch einige Zeit fortgesetzt werden. Wegen der COVID-19-Epidemie haben sich die Forscher jedoch zu einer Zwischenanalyse entschieden. Zu diesem Zeitpunkt hatten 198 Senioren an der Studie teilgenommen.
Tatsächlich ist es in den ersten 12 Monaten unter den Senioren, die mit BCG geimpft wurden, seltener zu Infektionen gekommen. Wie Evangelos Giamarellos-Bourboulis und Mitarbeiter berichten, erkrankten in der BCG-Gruppe 2,0 % der Senioren an einer Infektion gegenüber and 42,3 % in der Placebogruppe.
Die Hazard Ratio von 0,55 (95-%-Konfidenzintervall 0,31 bis 0,97) entspricht einer Verringerung des Risikos einer Neuinfektion in der BCG-Gruppe um 45 %. Bei den Atemwegsinfektionen kam es sogar zu einem Rückgang um 79 % (Hazard Ratio 0,21; 0,06 bis 0,72).
Die immunologischen Tests ergaben, dass das Immunsystem nach der BCG-Impfung eine vermehrte Abwehrbereitschaft hat. Die peripheren Leukozyten zeigten in Labortests eine gesteigerte Freisetzung des Tumor-Nekrose-Faktors (TNF) alpha sowie der Interleukine 1beta und 10, wenn sie durch Antigene von anderen Erregern (als BCG) stimuliert wurden.
Tests an 14 weiteren Probanden im Alter über 55 Jahre ergaben, dass eine BCG-Impfung die Produktion von TNF-alpha und Interleukin 10 nach einer Reizung durch Bakterien (Lipopolysaccharide) und Pilze (C. albicans) deutlich ansteigen lässt.
Die Impfung hat sich bei den älteren Probanden als sicher erwiesen. Ob sie auch vor COVID-19 schützen kann, wissen die Forscher nicht. Derzeit würden jedoch auf internationaler Ebene mehrere Studien genau dieser Frage nachgehen, schreiben sie. © rme/aerzteblatt.de
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