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Medizin

T-Helferzellen bei COVID-19-Risiko­patienten ausgebremst

Mittwoch, 2. September 2020

/picture-waterfall, stock.adobe.com

Berlin – Virusspezifische T-Helferzellen, die in ihrer Funktion eingeschränkt sind, könnten einer der Gründe dafür sein, dass ältere Menschen und Patienten mit Grunderkrankungen ein besonders hohes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsgruppe der Charité – Universitätsmedizin Berlin in einer im Journal of Clinical Investigation veröffentlichten Studie (DOI: 10.1172/JCI140965).

Das Team um Arne Sattler von der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie der Charité stellte fest, dass bei diesen beiden Risikogruppen virusspezifische T-Helferzellen zwar besonders häufig gebildet werden. Aber zu beobachten gewesen sei auch eine „Beeinträchtigung der SARS-CoV-2-spezifischen zellulären Immunität vom Th1-Typ, was für das Konzept einer veränderten T-Zell-Funktion bei Risikopatienten spricht“, schreiben sie.

Diese „Immunbremse“ zu lösen, könnte einen potenziellen Therapieansatz beispielsweise bei schweren COVID-19-Verläufen darstellen, heißt es in einer Mitteilung der Univer­sitäts­­­klinik.

Die Wissenschaftler untersuchten das Blut von 39 Patientinnen und Patienten, die mit einer SARS-CoV-2-Infektion in die Charité aufgenommen worden waren. 23 waren schwer erkrankt und wurden auf der Intensivstation behandelt. 16 COVID-19-Patienten mit mittelschwerer Erkrankung wurden auf Normalstationen versorgt. Hinzu kam eine Gruppe von 7 genesenen Patienten, um die SARS-CoV-2-spezifische Immunität in der nicht-akuten Phase zu untersuchen.

Aus den Blutproben gewannen die Forscher T-Helfer-Zellen, die sie mit Teilstücken der Membran-, Nukleokapsid- und Spike-Proteine von SARS-CoV-2 stimulierten. Anschließend bestimmten sie die Anzahl der T-Helferzellen, die auf die verschiedenen Virusproteine reagierten – und ob es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der aktivierten T-Helferzellen und den Risikofaktoren der Patienten gab.

Geringere Immunität trotz vieler T-Zellen

Es zeigte sich, dass die COVID-19-Patienten umso mehr virusspezifische T-Helferzellen in ihrem Blut hatten, je älter sie waren. Derselbe Zusammenhang fand sich auch für den Komorbiditätsindex – eine Maßzahl für die Schwere von 19 verschiedenen Grunderkran­kungen: Je höher der Komorbiditätsindex lag, desto mehr SARS-CoV-2-spezifische T-Helferzellen zirkulierten im Blut der Patientinnen und Patienten.

Allerdings beobachteten die Forscher auch, dass mit fortschreitendem Alter der Patienten und höherer Gesamtlast ihrer Grunderkrankungen immer weniger der T-Helferzellen Interferon gamma (IFNγ) produzierten. Diesen Botenstoff geben die Zellen normalerweise ab, wenn sie ein Virus erkannt haben, um andere Komponenten der Immunabwehr gegen den Erreger zu stimulieren.

Insbesondere Intensivpatienten mit höheren Acute Physiology And Chronic Health Evaluation II-Scores wiesen geringere Mengen an Membranprotein-reaktiven IFNγ+ T-Zellen auf.

„Die übermäßig vielen gegen das neue Coronavirus gerichteten T-Helferzellen, die wir im Blut von COVID-19-Betroffenen mit Risikofaktoren gefunden haben, sind also teilweise nicht mehr richtig funktionstüchtig“, erklärt Sattler.

Der Wissenschaftler der Arbeits­gruppe Translationale Immunologie resümiert: „Die T-Helferzellen werden bei Menschen mit Risikofaktoren also gewissermaßen ausge­bremst. Wir gehen davon aus, dass das hinderlich für eine effiziente Bekämpfung des Erregers sein könnte.“

Akut Erkrankte produzieren mehr PD-1

Bei akut erkrankten COVID-19-Patienten wiesen die SARS-CoV-2-spezifischen T-Zellen außerdem eine höhere PD-1-Expression auf als bei den Rekonvaleszenten.

Das Protein PD-1 ist eine bekannte molekulare „Bremse“ des Immunsystems. Es sorgt auf der Oberfläche von T-Zellen normalerweise dafür, dass eine Immunantwort nicht überschießt und sich beispielsweise gegen den eigenen Körper richtet.

Tatsächlich konnte die Charité-Forschungsgruppe nachweisen, dass die virusspezifischen T-Helferzellen während einer akuten SARS-CoV-2-Infektion deutlich mehr PD-1 bilden als nach einer Infektion mit vergleichsweise milden Symptomen.

„Zusammen mit Beobachtungen anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weisen unsere Daten darauf hin, dass PD-1 mitverantwortlich dafür sein könnte, dass das Immunsystem bei einigen COVID-19-Betroffenen zu wenig Botenstoffe zur Erregerabwehr ausschüttet“, sagt Sattler.

„Möglicherweise könnten COVID-19-Patientinnen und -Patienten von Therapien profi­tieren, die darauf abzielen, eine solche ‚Immunbremse‘ wieder zu lösen. Um das zu klären, sind aber noch zahlreiche Studien nötig.“ © nec/aerzteblatt.de

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