Medizin
Studie: Wie ein Schnupfen vor einer Grippe schützt
Dienstag, 15. September 2020
New Haven/Connecticut – Die jährliche Schnupfenepidemie durch Rhinoviren, zu der es immer nach den Sommerferien kommt, ist möglicherweise dafür verantwortlich, dass die Grippesaison erst in den Wintermonaten beginnt, wofür in-vitro-Experimente in Lancet Microbe (2020; DOI: 10.1016/S2666-5247(20)30114-2) eine virale Interferenz verantwortlich machen. Sie könnte in diesem Herbst auch die Erkrankungszahlen an COVID-19 beeinflussen.
Die virale Interferenz wurde 1957 von Alick Isaac und Jean Lindenmann entdeckt. Die beiden Virologen hatten beobachtet, dass Hühnereier nach der Infektion mit einem Influenzavirus eine Substanz bilden, mit der andere Hühnereier vor einer Infektion geschützt werden können.
Diese Substanz, genauer Substanzen, sind heute als Interferone bekannt. Sie wurden zwischenzeitig häufiger bei der Multiplen Sklerose und bei der Hepatitis C eingesetzt Inzwischen gibt es dort besser wirkende und vor allem besser verträgliche Mittel.
Derzeit gehört Interferon beta 1 zu den Substanzen, die in der SOLIDARITY-Plattform der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei COVID-19 klinisch untersucht werden.
Eine „natürliche Interferonbehandlung“ könnte durch einen banalen Schnupfen erfolgen. Auslöser des Schnupfens sind Rhinoviren, die sich auf der nördlichen Erdhalbkugel jedes Jahr im Herbst ausbreiten. Dass Rhinoviren mittels viraler Interferenz vor anderen Viren schützen könnten, wurde zuletzt nach der Influenza A(H1N1)2009 („Schweinegrippe“) vermutet.
Das Virus war im Frühjahr 2009 in Nordamerika aufgetreten. Als es im Herbst in Europa eintraf, herrschte in einigen Ländern wie Frankreich und Schweden gerade eine Schnupfenepidemie. In diesen Ländern konnte das Influenzavirus A(H1N1)2009 erst verspätet Fuß fassen. Einige Forscher sind sogar der Ansicht, dass der relativ milde Verlauf der Schweinegrippe in Europa den Rhinoviren zu verdanken ist.
Die virale Interferenz könnte auch in anderen Jahren den Beginn der saisonalen Grippe verzögern. Einem Team um Ellen Foxman von der Yale University in New Haven/Connecticut ist aufgefallen, dass in den Saisons 2016/17 bis 2018/19 die Grippeepidemie immer in die Zeit zwischen die Rhinovirusepidemien im Herbst und im Frühjahr fielen.
Eine Analyse der etwa 13.000 Proben, die in den Labors der Universität in den 3 Saisons untersucht wurden, ergab, dass Grippeviren bei den Rhinovirusepidemien zu 84 % seltener nachgewiesen wurden (Odds Ratio 0,16; 95-%-Konfidenzintervall 0,09 bis 0,28).
Die Forscher haben dann an Zellkulturen aus Atemwegsepithelien untersucht, ob es zu einer viralen Interferenz kommt. Zunächst wurden die Zellen mit Rhinoviren infiziert. Die Zellen aktivierten daraufhin die Gene für die Interferonbildung. Nach einer scheinbaren Infektion blieb diese Reaktion aus.
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3 Tage später wurden die Zellkulturen mit dem Virus Influenza A H1N1pdm09 infiziert. Wie in den Experimenten von Isaac und Lindenmann konnte das erste Virus die Replikation des zweiten Virus verhindern. Die Viruslast in den PCR-Tests war 15 Mal geringer als in den Kontrollversuchen, in denen die Kulturen das erste Mal nur scheinbar mit Viren infiziert wurden. Dies belegt, dass es auch zwischen Rhino- und Influenzaviren eine Interferenz gibt.
Dass die vermehrte Produktion von Interferonen die Ursache hierfür ist, zeigten weitere Experimente, in denen die Zellkulturen zuvor mit der Substanz BX795 behandelt wurden, die die Produktion von Interferonen verhindert. In diesem Fall konnte die Infektion mit den Rhinoviren die spätere Infektion mit den Grippeviren nicht verhindern.
Die Experimente sind natürlich von hohem Interesse für die in den Herbstmonaten zu erwartende Rhinovirusepidemie. Sie könnte im Prinzip dabei helfen, das SARS-CoV-2-Virus zurückzudrängen. Auch während der späteren Grippewelle könnte es im Prinzip zu einer viralen Interferenz kommen. © rme/aerzteblatt.de
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Hängen sie in größeren Speichel- oder Schleimtröpfchen, die man beim Reden, Husten oder Niesen ausstößt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass eine OP-Maske sie aufhält (Spuckschutz). Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin beschreibt so die Schutzwirkung von OP-Masken.
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