Ärzteschaft
BÄK-Präsident Reinhardt: „Gefälligkeitsatteste sind kein Kavaliersdelikt“
Freitag, 18. September 2020
Berlin – Das Ausstellen falscher Atteste gegen die Maskenpflicht ist ein Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung und kann auch strafrechtlich relevant sein. Das hat der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Klaus Reinhardt heute im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung klargestellt.
Auch wenn es sich nur um eine kleine Zahl von Ärzten handele, die sogenannte Gefälligkeitsatteste ausstellen, habe die BÄK dazu eine klare Haltung: „Wir tolerieren das unter keinen Umständen“, so Reinhardt.
„Gefälligkeitsatteste auszustellen ist kein Kavaliersdelikt“, betonte der BÄK-Präsident. Das ärztliches Berufsrecht regle klar: Ärzte müssen beim Ausstellen von Attesten sorgfältig vorgehen. Reinhardt wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht nur die Aussteller solcher Atteste in Konflikt mit dem Strafrecht kämen, sondern auch diejenigen, die von den Attesten Gebrauch machten.
Nach einem aktuellen Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg ist ein pauschales Attest für die Befreiung von der Maskenpflicht in Schulen zu wenig. Atteste, die Schülern ohne jede Begründung bescheinigten, aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Masken tragen zu können, reichten nicht aus um glaubhaft zu machen, dass das Tragen einer Alltagsmaske tatsächlich unzumutbar sei, argumentierte das Gericht in einer gestern veröffentlichten Eilentscheidung. „Es fehlt an der konkreten Diagnose eines Krankheitsbildes.“
Im vorliegenden Fall hatte eine Mutter stellvertretend für ihre sieben und neun Jahre alten Grundschülerinnen geklagt, weil ihre Kinder trotz eines pauschalen Attestes zunächst vom Unterricht ausgeschlossen und später alternativ zum Tragen eines Visieres aufgefordert worden waren.
Das Gericht fand die Anordnung einer Maskenpflicht zur Bekämpfung der Coronapandemie grundsätzlich verhältnismäßig. Zudem hätten die Schülerinnen nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen das Tragen einer Maske aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar sei – das aus einem Satz bestehende pauschale Attest reiche dafür nicht aus.
„Für eine Glaubhaftmachung bedarf es somit – wie auch in anderen Rechtsgebieten – ärztlicher Bescheinigungen, die konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten“, hieß es in der Entscheidung. © EB/aha/aerzteblatt.de

Das vierte Gebot: Fragen Sie nach der Beweislast

Rechtsbruch

Schweigepflicht und Datenschutz
Aus meiner Sicht wäre in diesem Fall eine Verordnung gerechtfertigt, die eine doppelte Legitimierung eines derartigen Attestes vorsieht. Konkret könnte es so aussehen, dass die meisten berechtigten Atteste eine chronische Grundkrankheit der Atmung, des Herzens oder des Bewegungsapparates zur Ursache haben. Diese Personengruppe hat oft einen Schwerbeschädigtenausweis, den man als Surrogatmarker für eine chronische Grundkrankheit werten kann. Wer keinen derartigen Ausweis hat, muss das Attest auf anderem Wege legitimieren, z.B. durch einen zusätzlichen Vermerk durch den MDK. Also bestehendes Attest + Schwerbeschädigtenausweis oder bestehendes Attest + Vermerk des MDK = gültiges Attest.
Der Datenschutz ist dabei kein Problem, weil die Kontrolleure z.B. im Supermarkt oder ÖPNV keinen Zugriff auf die Diagnose haben. Auch die Schweigepflicht ist kein Problem, die Ärzte des MDK unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Entweder ist bei einer MDK-Prüfung das Attest nachvollziehbar, dann kann es mit dem Vermerk sehr schnell gehen. Oder es gibt Nachfragen, dann kann der Patient den Hausarzt von der Schweigepflicht entbinden und um die Zusendung von zusätzlichen Informationen bitten. Eine derartige Verordnung hätte einen unmittelbaren selbstregulierenden Effekt. Gefälligkeitsatteste würden sehr schnell zu unliebsamen Rückfragen seitens des MDK führen.

Ärztliche Schweigepflicht?

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