Politik
Die ärztliche Weiterbildung wandelt sich
Donnerstag, 1. Oktober 2020
Berlin – Während Konsens darüber besteht, dass die ärztliche Weiterbildung in den Praxen niedergelassener Ärzte weiterhin gefördert werden muss, wird noch darüber diskutiert, wie dieser Wandel der Weiterbildung gestaltet werden sollte.
Modelle und Best-practice-Beispiele gibt es bereits einige, wie sich heute bei einem Fachforum des internationalen digitalen Kongresses der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) „#healsy20“ zeigte.
„Die ärztliche Weiterbildung wandelt sich derzeit. Es gibt bereits viele neue Formen der Lehre“, sagte Annette Rommel, 1. Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT). Keineswegs sei der Wandel aber abgeschlossen.
„Es ist weiterhin notwendig, Strukturen für die curriculare Weiterbildung im ambulanten Bereich zu schaffen“, betonte die Internistin. Neben der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin solle auch ambulante Weiterbildung in anderen Fachgebieten unterstützt werden.
Dabei verwies Rommel auf die Erfolge, die man in den vergangenen Jahren bezüglich der Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin erzielt habe. Die rechtlichen Grundlagen für die Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung wurden mit dem GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz zum 1. Januar 1999 geschaffen.
Das zunächst auf zwei Jahre befristete „Initiativprogramm“ erhielt durch das Gesundheitsreformgesetz im Jahr 2000 eine unbefristete Verlängerung. Zudem wurden die finanzielle Förderung erhöht und Koordinierungsstellen initiiert. Vor fünf Jahren, im Juli 2015, wurde schließlich mit dem Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes die Weiterbildungsförderung in das Sozialgesetzbuch (SGB) V als Paragraf 75a aufgenommen und erweitert.
7.500 Weiterbildungsstellen für die Allgemeinmedizin
Zahlen der KBV zufolge werden bundesweit derzeit mindestens 7.500 allgemeinmedizinische Weiterbildungsstellen für den ambulanten und stationären Bereich gefördert. Weitere 2.000 Stellen stehen jährlich ausschließlich für die ambulante Weiterbildung von Fachärzten anderer Fachgruppen wie Augenheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin oder Gynäkologie bereit.
Das Förderprogramm Weiterbildung zeige Wirkung, resümierte heute Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Dass die Weiterbildung jetzt umfassender und attraktiver gefördert werde, untermauere die Wertschätzung der Arbeit der jungen Kollegen.
„Der Wandel der Zeit und der Versorgungslandschaft erfordert auch einen Wandel der Weiterbildung“, sagte er. Weiterbildung dürfe nicht länger „ein Nebenprodukt der ärztlichen Tätigkeit“ sein. „Zudem muss die Qualität der Weiterbildung durch Evaluierung gefördert werden“, forderte der Kammerpräsident.
Wie wichtig es sei, dem Wandel der Gesundheitssysteme durch neue Weiterbildungsstrukturen gerecht zu werden, betonte auch Nele Michels, Hausärztin und Hochschullehrerin an der Universität Antwerpen, Belgien.
Nach Ansicht der Vertreterin der Europäischen Akademie der Hochschullehrer in Allgemein-und Familienmedizin liegt die Zukunft der ärztlichen Weiterbildung in einer Kooperation über die Sektorengrenzen hinweg. Gezeigt habe sich das insbesondere jetzt während der COVID19-Pandemie.
Auf Vernetzung setzt auch Ralf Jendyk vom Deutschen Netzwerk der Kompetenzzentren in der Weiterbildung (DNKW). Konkret verwies er heute auf die Erfolgsgeschichte der Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin: 14 dieser Zentren existierten derzeit bundesweit und seien gemeinsam im DNKW organsiert.
Bei diesen Kompetenzzentren, die offiziell 2017 etabliert wurden, handelt es sich um universitär angebundene Zentren nach dem Vorbild von Einrichtungen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, die sich mit zusätzlichen didaktischen Angeboten an Weiterzubildende und Weiterbilder richten.
Beteiligt sind an den Kompetenzzentren neben den Universitäten die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesärztekammern sowie die Landes-Krankenhausgesellschaften.
„Erste Evaluationsergebnisse zeigen eine sehr gute fachliche Qualität sowie einen hohen Praxisbezug“, berichtete Jendyk. So seien beispielsweise im Jahr 2019 bundesweist 902 strukturierte Begleitseminare nach einem kompetenzbasieren Curriculum der DEGAM durchgeführt worden sowie 577 Mentoring-Veranstaltungen (einzeln oder in der Gruppe) und 61 Train-the-Trainer-Fortbildungen.
Während der Pandemie habe es viele Onlineangebote gegeben, jetzt würden auch Hybridformate angeboten, sagte Jendyk. Demnächst sei zudem ein Positionspapier der DNKW geplant, das die Vorteile der Onlinelehre beleuchten will, um diese möglicherweise in den Regelbetrieb zu übernehmen.
Profitiert von den Angeboten der Kompetenzzentren, die gleichzeitig der Vernetzung und dem Austausch dienen, hat Kahina Toutaoui, Ärztin in Weiterbildung in Berlin. Sie lobte heute die gute finanzielle Förderung der Weiterbildung in Allgemeinmedizin.
Trotzdem gebe es noch Herausforderungen, sagte sie bei dem KBV-Kongress. So wünscht sich die junge Ärztin mehr Zeit für konkreten Austausch mit dem Weiterbilder. Zudem sollte sich nach ihrer Ansicht die Vernetzung vom stationären zum ambulanten Bereich verbessern.
Auf mehr Digitalisierung setzt Verena Gall. Seit Juli führt die junge Ärztin eine digitale landärztliche Praxis in der Nähe von Mainz. „Dies bedeutet mehr als nur eine papierlose Dokumentation“, betonte sie.
Deshalb sollte eine künftige Weiterbildung auch vermehrt das Grundverständnis von Prozessen fördern und digitale Angebote in den Blick nehmen, fordert Gall. Nützlich seien zudem betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Schulen zu Führung und Management. Ihr Fazit: „Bei der Digitalisierung muss ärztliche Selbstverwaltung nachziehen.“
Wolfgang Blank, Hausarzt im Bayrischen Wald, wünscht sich zudem mehr Wertschätzung der Ärzte auch als Person. „Wertschätzung ist die Grundlage einer erfolgreichen Weiterbildung“, sagte er heute. Unterstützen könne dies eine curriculare Weiterbildung, bei der die Betreuung des Patienten im Mittelpunkt stünde, eine Reflexion der Arbeit sowie ein generationenübergreifender kollegialer Austausch. © ER/aerzteblatt.de

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