Ärzteschaft
Apps auf Rezept: Noch viele Unsicherheiten bei Ärzten
Donnerstag, 8. Oktober 2020
Berlin – Ärzte und Psychotherapeuten können ab sofort digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verschreiben – das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat die ersten Genehmigungsverfahren dazu abgeschlossen.
Dem Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV), dem Hartmannbund und dem Bündnis Junge Ärzte (BJÄ) zufolge fühlen sich viele Ärzte aber schlecht auf die Beratung rund um die Apps vorbereitet.
Die drei Verbände haben daher eine Onlineseminarreihe konzipiert, die über Evidenzen und Datenschutz informiert, die praktische Arbeit mit DiGA zeigt und Fachinformationen und Einblicke in die Prozesse bietet.
„Gemeinsam mit dem Vertreter der App-Hersteller kann es uns gelingen, für ein breites Verständnis von DiGA unter Einbeziehung ärztlicher Expertise zu sorgen und die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf ein neues Level zu heben“, sagte Max Tischler, Sprecher des BJÄ und Mitglied des Leitungsgremiums des Ausschusses Assistenzärzte des HB.
Politik und Krankenkassen begrüßen die neuen Möglichkeiten, die die DiGAs bieten. „Wir wollen, dass digitale Innovationen schneller an den Markt und bei den Menschen ankommen“, sagte Christian Klose, im Bundesgesundheitsministerium verantwortlich für Telematikinfrastruktur und E-Health, gestern auf einer Online-Veranstaltung der AOK Nordost. Ziel sei, die Versorgung besser zu machen, betonte er.
Auch die Vorstandsvorsitzende der Kasse, Daniela Teichert, begrüßte die Einführung der Apps auf Rezept. Aber sie verwies darauf, dass die DiGAs keine separate Säule werden dürften, sondern Lücken in der Versorgung füllen und immer in Absprache mit dem Arzt verordnet werden müssten.
Die ersten beiden jetzt auf Rezept verfügbaren Apps sind eine Tinnitustherapie namens „Kalmeda“ sowie eine digitale Unterstützung „Velibra“ für Patienten mit Angststörungen. Weitere solcher Apps befinden sich aktuell im Prüfverfahren und werden nach Abschluss ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen.
„Wirksamkeit, Datenschutz, Verordnung – zum Einsatz von Gesundheits-Apps gibt es noch viele offene Fragen“, sagte Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV). Er begrüßte es, dass die App zu Angststörungen eine randomisiert-kontrollierte Studie vorweisen könne.
Die Tinnitus-DiGA sei jedoch entsprechend dem Fast-Track-Verfahren freigegeben worden und könne nun ohne Nachweis einer Wirksamkeit verordnet werden. Für das BfArM reiche zunächst die Ankündigung einer Studie, die innerhalb eines Jahres mit 150 Probanden durchgeführt werden soll.
„Die Patienten werden damit zu Versuchskaninchen. Gleichzeitig haften wir als Psychotherapeuten für jegliche Nebenwirkungen, die solche Apps verursachen können. Ein Einsatz solcher DiGA in der Therapie ist daher wenig attraktiv. Es gibt noch einen großen Forschungsbedarf“, sagte Hentschel. © hil/aerzteblatt.de

Welche digitalen Anwendungen werden tatsächlich nachgefragt?
Der von der FMH erstmals durchgeführte Digital Trends Survey soll diese Fragen beantworten:
„...Bei der Umfrage haben 494 ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte sowie 2432 Einwohnerinnen und Einwohner teilgenommen
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Während die Ärzteschaft das grösste Interesse an Online-Nachschlagewerken zeigt (48%), interessiert sich die Bevölkerung insbesondere für automatische Benachrichtigungen bei Arztterminen oder Wartezeiten (89%).
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Am häufigsten (32%) wird das Senden von Fotos mit dem Smartphone an die Ärztin oder den Arzt angeboten. Angebote rund um die Online-Terminfixierung sind zwar bei der Mehrheit der Ärzteschaft bekannt (79%), werden jedoch erst von einer Minderheit (10%) auch im Alltag eingesetzt. Die Ärzteschaft erwartet durch die Digitalisierung mehrheitlich (92%) neue Datenschutzprobleme und ist der Meinung, dass es sowohl bei den Patientinnen und Patienten (88%) als auch bei der Ärzteschaft (86%) mehr Sensibilisierung beim Umgang mit digitalen Gesundheitsdaten benötige.
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Während das bestehende digitale Angebot der Ärzteschaft durch die Bevölkerung unterschiedlich bewertet wird bzw. für viele (noch) nicht beurteilbar ist, ist eine grosse Mehrheit mit den ärztlichen Dienstleistungen zufrieden (Hausärzteschaft: 86%, Spezialisten: 73%), und knapp drei Viertel der Bevölkerung würden ihre Ärztin einer Freundin weiterempfehlen.
Zudem spielt es keine Rolle, ob der Arzt am elektronischen Patientendossier (EPD) teilnimmt:
Nur einer Minderheit der Bevölkerung (15%) ist das EPD derzeit so wichtig, dass sie ihre Ärztin wechseln würde, wenn diese nicht am EPD teilnehmen würde.
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Die Ärzteschaft verwendet digitale Hilfsmittel «vor der Behandlung» noch zurückhaltend. Die Gründe für eine solche Zurückhaltung werden in der Literatur mit fehlender Interoperabilität sowie mit mangelndem Nutzennachweis angegeben [4]. Aus den Ergebnissen dieser Befragung lässt sich ebenfalls schliessen, dass in Bezug auf den Datenschutz Sensibilisierungsmassnahmen sowohl für Ärztinnen und Ärzte wie auch für die Bevölkerung erforderlich sind...“
https://saez.ch/article/doi/saez.2020.18904

Historischer Einblick oder Stuttgart 1948
Der Beruf des Arztes ist nach deutscher Tradition und Gesetzgebung kein Gewerbe; der Arzt erfüllt vielmehr eine öffentliche Aufgabe, seine Berufsverhältnisse bedürfen daher einer gesetzlichen Regelung, die den Beruf sinnvoll in den Organismus des Gesundheitswesens eingliedert, ohne die Berufsfreiheit des einzelnen Arztes aufzuheben und ohne ihn zum Beamten oder Angestellten des Staates oder zum Arbeitnehmer der Versicherungsträger zu machen."
>>> 16. Oktober 1948 - 51.ter Deutscher Ärztetag Stuttgart
Sehen sich Deutschlands Ärzte noch ähnlich wie die Kriegsgeneration?

Hartmannbund als Trittbrettfahrer ganz vorn dabei
- Ablauf eines Regressverfahrens bei DiGA
- Berechnung der Verluste eines Arztes pro Verordnung
- Erstellung einer Kosten-Nutzen-Rechnung von DiGA-Verordnungen
- Haftungsrisiko bei Datenschutzverstößen
Ach so, darüber will man lieber nicht sprechen. Denn das könnte Ärzte davon abhalten, DiGA zu verordnen. Wessen Interessen vertritt der Hartmannbund noch gleich?

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