Ärzteschaft
Gefäßchirurgen: Zunahme von Fußamputationen in der Coronapandemie
Freitag, 23. Oktober 2020
Heidelberg – Die seit Jahren nicht sinken wollende Zahl an Amputationen in Deutschland – rund 50.000 per annum – macht deutlich: Menschen mit chronischen Durchblutungsstörungen finden ihren Weg nicht früh genug in die klinische Versorgung. Und die Coronapandemie habe die Situation noch verschärft, berichtete Dittmar Böckler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG), gestern bei einer Pressekonferenz anlässlich des virtuellen Jahreskongresses der Fachgesellschaft.
Um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen und Kapazitäten in den Krankenhäusern zu schaffen, wurden ab März dieses Jahres nicht unbedingt notwendige Untersuchungen und Behandlungen zunächst aufgeschoben. Hinzu kam, dass „viele Patienten mit chronischen Durchblutungsstörungen der Beine aus Angst vor einer SARS-CoV-2-Infektion Vorsorgetermine nicht wahrgenommen haben“, so der Ärztliche Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg.
Die Folgen seien in manchen Fällen schwerwiegend, so Böckler. Veröffentlichte Studien zu einer konsekutiven Erhöhung von Amputationen durch verspätete Arztkonsultationen existieren zwar noch nicht. Aber: „Zahlreiche Kliniken berichten davon, dass sich Patienten mit Durchblutungsstörungen so spät vorgestellt haben, dass eine Fußamputation nicht mehr zu umgehen war“, ergänzte der Gefäßchirurg.
Hauptursachen für Amputationen sind die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) bedingt durch Arterienverkalkung – und die Spätfolgen eines Diabetes mellitus. „Allein das Diabetischen Fußsyndrom (DFS) führt hierzulande jährlich zu über 40.000 Amputationen. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich leider im oberen Bereich“, sagte Böckler.
Konsequente Prävention, rechtzeitige Diagnostik und interdisziplinäre Therapie könnten diese Eingriffe verhindern. Hier sieht der Heidelberger Gefäßchirurg speziell die Hausärzte in der Pflicht: Patienten mit den bekannten Risikofaktoren – Typ-2-Diabetes, Arteriosklerose, höheres Alter, Fettstoffwechselstörungen, familiäre Häufung, Rauchen, Hypertonus – sollten auf Durchblutungsstörungen gescreent werden. Deute der per Ultraschall ermittelte Knöchel-Arm-Index auf eine Durchblutungsstörung hin, müssten die Patienten dann zügig weiterüberwiesen werden.
Um die Prävention von Amputationen wegen DFS in der Praxis zu verbessern, unterstützt die DGG zudem den kürzlich eingeführten „Fuß-Pass“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Der Pass gibt Auskunft über das individuelle DFS-Risiko eines Patienten, sodass die Untersuchungsintervalle entsprechend gestaltet werden können.
Keine Amputation ohne Vorstellung beim Gefäßspezialisten
Seit April dieses Jahres hätten Patienten zudem das Anrecht, auf Kosten der GKV eine zweite Meinung einzuholen. Dies sollte vor einer Amputation im Zweifelsfall immer bei einem Gefäßspezialisten erfolgen, betonte Böckler. Dieser könne mitunter doch noch eine andere Strategie finden. Denn die Gefäßchirurgie biete vielfältige Methoden, um die Durchblutung etwa eines Beines wieder zu verbessern und so eine Amputation zu verhindern.
„Ohne vorherige eingehende Untersuchung der Gefäße durch einen Gefäßchirurgen oder Gefäßmedizinersollte keine Amputation stattfinden“, betonte der DGG-Präsident. © nec/aerzteblatt.de

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