Politik
Verdrängungswettbewerb auf Intensivstationen deutet sich an
Freitag, 30. Oktober 2020
Köln – Intensivmediziner haben betont, dass während der zweiten Welle der Coronapandemie auch Intensivkapazitäten für Nicht-COVID-Patienten bereitgehalten werden müssten. Wenn die Infektionszahlen weiter so anstiegen wie derzeit, werde dies jedoch nur schwer umzusetzen sein.
„Derzeit behandeln wir sieben COVID-19-Patienten auf unserer Intensivstation“, berichtete die kommissarische ärztliche Direktorin der Klinik für Gastroenterologie, Infektionen und Vergiftungen am Universitätsklinikum Heidelberg, Uta Merle, heute auf einem Press Briefing des Science Media Center. „Wir merken, wie das in den letzten Tagen extrem angezogen hat, sowohl bei uns als auch im ganzen Landkreis.“
Dabei betonte sie, dass nicht nur hochbetagte Menschen auf ihrer Intensivstation versorgt würden. „Unser jüngster Patient ist 26 Jahre alt“, sagte sie. Es müsse aus den Köpfen heraus, dass es nur bei alten Menschen einen schweren Krankheitsverlauf gebe. „Es sind alle Altersklassen betroffen“, betonte sie. Allerdings habe man im hohen Alter natürlich ein höheres Risiko.
„Wir wollen die elektive Behandlung der Nicht-COVID-19-Patienten nicht zurückstellen“, erklärte Merle. Denn elektiv bedeute zwar, dass eine Behandlung geplant werden könne, aber nicht, dass sie sich aufschieben lasse, vor allem nicht in den Bereichen Herzinfarkt, Schlaganfall und Onkologie.
„Wir werden aber zunehmend in die Situation hineingezogen, dass wir elektive Eingriffe hintenanstellen müssen“, so Merle. „Doch man kann nicht alles verschieben. Man schiebt dann eine Welle vor sich her. Und der Winter könnte lang werden.“
Lob für politische Maßnahmen
Vor diesem Hintergrund lobte der Leiter der internistischen Intensivstation des Universitätsklinikums Köln, Matthias Kochanek, den ab Montag beginnenden Teil-Lockdown. „Die politischen Entscheidungen kann ich nur maximal unterstützen“, sagte er.
In Köln sei die Zahl der COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen von gestern auf heute von 49 auf 54 angestiegen. „Wenn wir das hochrechnen, wissen wir, welche Fallzahlen uns bald erwarten“, so Kochanek.
„Wenn die Infektionszahlen so bleiben, werden wir sicher in einen Personalengpass kommen“, meinte er. Im Winter sei die Auslastung der Intensivstation ohnehin hoch. Und das Personal sei ausgelaugt.
„COVID-19-Patienten sind sehr aufwändig in der intensivpflegerischen Betreuung“, betonte Kochanek. „Eine Intensivpflegekraft kann zwei bis drei Herzinfarktpatienten auf der Intensivstation gut betreuen. Aber bei COVID-19-Patienten ist fast eine 1:1-Betreuung notwendig.“
„Wir werden das Personal nicht steigern können“
Dabei könnten 30 bis 40 Prozent der Tätigkeiten auf einer Intensivstation von Pflegekräften übernommen werden, die für diese Arbeit angelernt wurden. Der Rest seien hochspezialisierte Tätigkeiten, die nur eine ausgebildete Intensivpflegefachkraft durchführen könne. Merle meinte: „Wir werden das Krankenhauspersonal jetzt nicht kurzfristig steigern können. Der Hauptengpass werden die Intensivstationen sein.“
In diesem Zusammenhang forderte Kochanek, mehr Anstrengungen zu unternehmen, damit Intensivpflegekräfte nicht zu Hause bleiben müssten, um ihre kranken Kinder zu betreuen. „Wir sollten Möglichkeiten schaffen, zum Beispiel über Tests, dass Kinder von Pflegekräften nicht so schnell aus der Kita herausgenommen werden müssen“, meinte er.
Keine Angst vor Infektionen
Sorgen, dass sich ihre Mitarbeiter im Krankenhaus mit SARS-CoV-2 infizieren, haben beide Intensivmediziner nicht. „Wir haben erstaunlich wenige Infektionen bei uns im Krankenhaus“, sagte Merle. „Im Rahmen einer Reanimierung haben sich ein Arzt und eine Pflegekraft angesteckt, sonst niemand. Unter den kontrollierten Bedingungen im Krankenhaus scheint die Arbeit dort recht sicher zu sein.“
Auch Kochanek meinte: „Die Schutzmaßnahmen, die wir durchführen, sind gut und sicher. Da mache ich mir wenig Sorgen, dass sich Mitarbeiter anstecken.“
Beide Intensivmediziner betonten zudem, dass es jetzt bessere Möglichkeiten der Behandlung gebe als während der ersten Pandemiewelle. „Mit Remdesivir und Dexamethason haben wir zwei Medikamente zur Verfügung, mit denen wir unsere Patienten behandeln können“, sagte Kochanek. „Wir haben dabei vor allem mit Dexamethason sehr gute Erfahrungen gemacht. Zwar hat es nicht so viel PS, wie wir uns das wünschen, aber es ist schon eine Verbesserung im Vergleich zum Frühjahr.“ © fos/aerzteblatt.de
- Zi-Frühindikator könnte beim Pandemiemanagement helfen
- Corona: Merkel verteidigt harte Maßnahmen
- Intensivmediziner plädieren für „Coronabetrieb“ der Krankenhäuser
- Intensivpatienten: Höchstzahl aus April in einigen Wochen übertroffen
- Corona: Immer mehr Länder verhängen Lockdown
- 60 Wochenstunden: Niedersachsen hebt Pflegearbeitszeit an
- Merkel äußert sich nach Inkrafttreten des Teil-Lockdowns
- Krankenhäuser: Berliner Senatorin will planbare Eingriffe verschieben
- OP-Verschiebungen: Wissenschaftler warnen vor höherem Sterberisiko

@wilhem - Die Zahlen, aber nicht die Neuinfizierten sagen uns wer Recht hat
Wie sich die Lockdowns in verschiedenen gesamtgesellschaftlich gesehen tatsächlich auswirken werden, dazu lasssen ebenso wie z.b. zu Langzeitwirkungen von Covid-19 noch keine wirklich stichhaltigen Aussagen machen, denn dazu braucht einfach noch viel mehr Zeit.
Da wie ich schon sagte multifaktorelle Auswirkungen zu beobachten bzw. erwarten sind, so bedarf es auch der Expertise aus den verschiedensten Bereichen. Die Fachrichtung Medizin (Mikrobiologie, Infektionsepidemiologie, Virologie) ist mit Frau Prof. Kappstein, Herrn Prof. Dr. Bhakdi und Herrn Prof. Dr. Dr. Martin Hadditsch, aber wohl mehr als nur sehr gut besetzt.

Geballtes WIssen
ich halte einen Lockdown auch nicht unbedingt für das beste Mittel, wobei Länder wie Neuseeland, Vietnam und selbst Griechenland mit Kurzfristlockdowns gute Erfahrungen gemacht haben. Nur weil man ein vermeintlich geballte Ansammlung von Wissen hat, das haben eben andere auch, hat man ja nicht recht. Könnten Sie die Spezialgebiete der genannten Personen für virologische und epidemiologische Fragen auch auflisten Andre. B, da wäre ich dankbar.

Das stimmt und wahrlich eine geballte Ansammlung von Wissen
Prof. Dr. Stefan Homburg, Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover
Prof. Dr. rer. nat. Stefan W. Hockertz, Immuntoxikologe und Pharmakologe, ehem. Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Gründer und Geschäftsführer der tpi consult GmbH
Prof. Dr. Christof Kuhbandner, Leiter des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg
Prof. Dr. rer. nat. Karina Reiß, Biologin, forscht und lehrt am Quincke-Forschungszentrum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Prof. Dr. Harald Walach, klinischer Psychologe, Wirtschaftstheoretiker- und -historiker, ehem. Leiter des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften IntraG an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt a.d. Oder
Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Haditsch, Facharzt Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, Hannover
Prof. Dr. phil. Franz Ruppert, Psychotraumatologe, psychologischer Psychotherapeut, Professor für Psychologie an der Katholischen Stiftungshochschule München
Prof. Dr. Werner Müller, Professor für Rechnungswesen, Controlling, Steuern, Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Mainz
Prof. Dr.-Ing. Aris Christidis, ehem. Technische Hochschule Mittelhessen, Giessen Fachbereich Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik
Prof. Dr. med. Jürgen Degreif, Chefarzt, Facharzt für Chirugie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Klinikum Esslingen
Prof. Dr. med. Ines Kappstein, Krankenhaushygienikerin, FÄ für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, Oberbayern
Heiko Schöning, Arzt, Hamburg; Gründungsmitglied von „Ärzte-für- Aufklärung“ und Initiator von „WIRKRAFT.org“

oh je ...
Sehr geehrter erichurm,
das darf selbstverständlich nicht passieren, wir haben dies korrigiert. Mit Verschwörung hat dies glücklicherweise nichts zu tun;-)
Beste Grüße
Redaktion DÄ

Hatte Platon recht?

Statistiken für Intensivbetten werden "frisiert"
Auszug:
"In der Tat ist laut den Tagesreporten des DIVI-Intensivregisters die Anzahl der Intensivpatienten mit Diagnose "COVID-19" in den letzten Wochen stark gestiegen. Eine offizielle Antwort auf eine Anfrage an das DIVI-Intensivregister zur Diagnostik von "COVID-19-Intensivpatienten" offenbart aber ein fundamentales diagnostisches Problem. Dort wird bestätigt, dass (1) jeder Intensivpatient – unabhängig von der Symptomatik – mit einem SARS-CoV-2-PCR-Test getestet wird und (2) jeder Intensivpatient – unabhängig von der Symptomatik – mit einem positiven SARS-CoV-2-PCR-Testergebnis als "COVID-19-Intensivpatient" geführt wird. Letzteres wird auch in einer offiziellen Antwort des RKI auf eine entsprechende Anfrage bestätigt. Selbst wenn demnach beispielsweise eine Person wegen eines Autounfalls auf Intensivstation liegen würde und ein positives SARS-CoV-2-PCR-Testergebnis aufweist ohne jede weitere COVID-19-spezifische Symptomatik, würde diese Person als "COVID-19-Intensivpatient" zählen…"
>>> https://www.heise.de/tp/features/Corona-Lockdown-Droht-tatsaechlich-eine-akute-nationale-Gesundheitsnotlage-4942433.html

Nachrichten zum Thema


Leserkommentare
Um Artikel, Nachrichten oder Blogs kommentieren zu können, müssen Sie registriert sein. Sind sie bereits für den Newsletter oder den Stellenmarkt registriert, können Sie sich hier direkt anmelden.