Ärzteschaft
E-Zigaretten für Fachgesellschaft zur Tabakentwöhnung ungeeignet
Mittwoch, 4. November 2020
Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) lehnt E-Zigaretten und Tabakerhitzer zur Tabakentwöhnung weiterhin ab. Die Fachgesellschaft fordert stattdessen stärkere Anstrengungen zur Prävention und Behandlung der Tabakabhängigkeit.
„Das Aerosol von E-Zigaretten enthält toxische Inhaltsstoffe, die nachweislich schädigend auf die Lunge, das Herz-Kreislauf-System und Immunsystem wirken“, heißt es in einer neuen Stellungnahme der DGP.
Untersuchungen zu E-Zigaretten als Mittel in der Tabakentwöhnung seien „wenig überzeugend, um E-Zigaretten gegenüber den langjährig erprobten und etablierten Nikotinersatzpräparaten oder anderen Medikamenten, die das Rauchverlangen reduzieren, zu bevorzugen“, so die DGP-Experten.
Wegen der geringen Anzahl der verfügbaren Studien, einer begrenzten Qualität derselben und widersprüchlichen Resultate seien weitere Untersuchungen notwendig. Zwar zeigten mehrere randomisiert-kontrollierte Studien einen leichten Vorteil der E-Zigarette gegenüber Nikotinersatzpräparaten (DOI: 10.1002/14651858.CD010216.pub4).
In epidemiologischen Longitudinalstudien, die ausstiegswillige Raucher über einen längeren Zeitraum verfolgten, seien E-Zigaretten aber nicht überlegen, sondern unterlegen (DOI: 10.1016/S2213-2600(15)00521-4).
Die Fachgesellschaft warnt, die Mehrzahl der E-Zigarettennutzer beende den Zigarettenkonsum nicht, sondern konsumiere beides parallel (dual use). Entwöhnungswilligen Rauchern sollte daher immer eine verhaltenstherapeutisch basierte Entwöhnungstherapie angeboten werden.
Die Fachgesellschaft kritisiert besonders, dass die Tabakindustrie versuche, E-Zigaretten und Tabakerhitzer als Alternative zum Zigarettenkonsum zu vermarkten. „Dabei wird aber keinesfalls spezifisch die Gruppe der stark abhängigen Raucher beworben. Die Werbung zielt besonders auf Jugendliche und junge Erwachsene mit der Folge, dass der E-Zigarettenkonsum vor allem in den jüngeren Altersgruppen ansteigt“, argumentiert die DGP. Die E-Zigarette habe so das Potential zur Einstiegsdroge zum Zigarettenkonsum.
„Aufgrund der ungeklärten langfristigen Gesundheitsgefahren und wegen des Risikos, durch die Zunahme des E-Zigarettenkonsums die Tabakprävention zu gefährden, spricht sich die DGP dagegen aus, E-Zigaretten und Tabakerhitzer zur Tabakentwöhnung zu propagieren“, so das Fazit der Fachgesellschaft. © hil/aerzteblatt.de

Dass man bei der DGP ins Leere greift
Desweiteren hat man sich dort offenbar ebensowenig inhaltlich mit Gaiha et al. „Association Between Youth Smoking, Electronic Cigarette Use, and COVID-19“ (1) beschäftigt, einer „Studie“, die nie ein richtiges Peer Review überstanden hätte. Der DGP ist das gleich, denn sie tönt mit Referenz darauf:
„Insbesondere in der aktuellen Pandemiesituation ist es bedenkenswert, dass nicht nur Raucher, sondern auch E-Zigaretten-Raucher häufiger an COVID-19 erkranken.“
Dieses Papier hat dem Journal of Adolescent Health schon einen mächtigen Reputationsschaden eingehandelt. Mehr noch. Aktuell ist es auf der Hitliste und dem Radar von Retractionwatch (2) gelandet:
„A study (1) that claimed to find a link between COVID-19 and vaping in youth has drawn strong criticism in three(3) letters(4) to the(5) editor(6). The authors (7) — and the editors, who say the episode prompted change (8) — respond.“
Die DGP klammert sich offenbar gerne an die dünnsten Strohhalme und greift dabei oft daneben. Zur Erinnerung: Das Beschäftigungsverhältnis von Stanton A. Glantz wurde von der Universität USCF abrupt beendet, er hat sich im Laufe seiner Karriere mehrfach Anzeigen und Verfahren wegen sexueller Belästigung eingehandelt und eine seiner Studien wurde vom publizierenden Journal zurückgezogen
(1) Shivani MathurGaiha, Jing Cheng, Bonnie Halpern-Felsher: „ Association Between Youth Smoking, Electronic Cigarette Use, and COVID-19“, 11. August, 2020, https://doi.org/10.1016/j.jadohealth.2020.07.002
(2) https://retractionwatch.com/2021/01/02/weekend-reads-the-backstory-of-a-nature-retraction-an-author-salutes-her-favorite-review-of-2020-vaping-covid-19-link-questioned/#more-121187
(3) https://www.jahonline.org/article/S1054-139X(20)30599-1/fulltext
(4) https://www.jahonline.org/article/S1054-139X(20)30567-X/fulltext
(5) https://www.jahonline.org/article/S1054-139X(20)30565-6/fulltext
(6) https://www.jahonline.org/article/S1054-139X(20)30566-8/fulltext
(7) https://www.jahonline.org/article/S1054-139X(20)30631-5/fulltext
(8) https://www.jahonline.org/article/S1054-139X(20)30569-3/fulltext

... und bloß keine Fakten
Die Fakten:
- Es gibt allein in Deutschland ca. 2,5 Mio. Dampfer - und 99,7% sind (ehemalige) Raucher. Sie berichten übereinstimmend einen schnellen Rauchausstieg und eine gravierende, rasante Verbesserung ihrer Gesundheit.
Ohne das Dampfen hätten wir heute also wahrscheinlich 2,5 Mio. Raucher mehr – so viele Menschen, wie in 20 Jahren in Deutschland am Tabak sterben.
- 90 Prozent der Befragten einer ZIS-Studie (2015) schaffen in weniger als vier Wochen den kompletten Umstieg.
- Nur 8 Prozent der Dampfer sind „Dual User“.
- Für 93 Prozent der Umsteiger ist Tabakrauchen danach „nicht mehr vorstellbar“.
- 43 Prozent hatten zuvor Nikotinersatzprodukte ausprobiert und waren gescheitert.
- Es ist ein Märchen, dass die „E-Zigarette“ eine Erfindung der Tabakindustrie ist. 96 Prozent der Unternehmen im deutschen „E-Zigaretten“-Markt sind kleine und mittlere Unternehmen.
Bei Interesse: Gesammelte Studien aus aller Welt gibt's auf vd-eh.de

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