Politik
Notfallversorgung: Experten befürworten dänisches Modell
Dienstag, 10. November 2020
Berlin – Der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dominik von Stillfried, hat eine Neustrukturierung der Notfallversorgung in Deutschland nach dänischem Vorbild angeregt.
„Im Universitätsklinikum Odense kommen die Patienten nur nach einer telefonischen Ersteinschätzung sowie mit einem Termin in die Notaufnahme“, sagte er heute auf dem virtuellen Zi-Forum „Akut- und Notfallversorgung: künftig wie ein Uhrwerk?“.
In der Notaufnahme kümmere sich ein sogenannter Flowmaster darum, den Patientenfluss zu steuern. „Der Flowmaster kontrolliert den Personaleinsatz und die Bettenbelegung. Er kooperiert mit den Hausarzt-, den Bereitschaftsdienstpraxen und dem Rettungsdienst und kann so die Belegung der Notaufnahme vorausschauend planen“, sagte von Stillfried.
Durch ein solches System könne ein Crowding oder eine Überfüllung in der Notaufnahme vermieden werden. Die zur Verfügung stehende Datenbasis sorge zudem dafür, dass man Engpässe und Ineffizienzen ex post analysieren könne.
„Die dänischen Erfahrungen mit der Einführung einer entsprechenden Steuerung zeigen, dass dadurch auch deutlich bessere Ergebnisse in der medizinischen Versorgung erreicht werden konnten“, betonte von Stillfried. „Die Patientensicherheit wurde deutlich gesteigert.“ Eine höhere Berufs- und Patientenzufriedenheit habe so ebenfalls erreicht werden können.
Dänisches Modell beeindruckt
Auch der Ärztliche Leiter der Notfallmedizin an den Campi Charité Mitte und Virchow-Klinikum, Martin Möckel, zeigte sich von dem dänischen Modell beeindruckt. „In der Notaufnahme in Odense gab es doppelt so viel Personal wie bei uns“, sagte er.
„Die Idee eines Flowmaster, eines Oberarztes, der sich ausschließlich um den Patientenfluss kümmert, ist zudem faszinierend.“ Mit den verfügbaren Mittel sei dies in Deutschland jedoch nicht darstellbar.
„Beeindruckt war ich auch von der räumlichen Dimension und von der Digitalisierung“, sagte Möckel. „Die Patientendaten waren auf großen Monitoren zu sehen. Und zu jedem Zeitpunkt wusste man, an welcher Stelle des Systems sich der Patient befindet und welche Punkte noch offen sind.“ Dieses Modell funktioniere jedoch nur, weil die Vorgaben des Datenschutzes in Dänemark weniger streng seien.
„In Dänemark bestehen Register mit den Patientendaten, sodass die Mitarbeiter der Notaufnahme sofort alle Daten zur Verfügung haben“, sagte Möckel. „Da stehen wir in Deutschland noch ganz am Anfang.“ In Deutschland könnten die Patientendaten, die in einem Sektor erhoben werden, ja noch nicht einmal im anderen Sektor abgerufen werden.
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen, Eckhard Starke, berichtete von dem Pilotprojekt SaN, mit dem in zwei Landkreisen und einer Stadt eine Verzahnung von stationärer und ambulanter Notfallversorgung erprobt wird.
Dabei können sich Vertragsarzt- und Bereitschaftsdienstpraxen in die Notfallplattform IVENA einloggen und ihre freien Kapazitäten zur Behandlung von Notfallpatienten eintragen. Bislang wird IVENA in einigen Bundesländern von Krankenhäusern genutzt. Der Rettungsdienst kann auf das System zugreifen und sieht auf diese Weise, in welchen Krankenhäusern welche freien Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Im SaN-Projekt sieht der Rettungsdienst nun auch die freien ambulanten Kapazitäten. In dem Modellprojekt ist es ihm dabei auch möglich, Vertragsarztpraxen anzufahren. Zur telefonischen Ersteinschätzung sowie zur Ersteinschätzung der Patienten, die fußläufig die Notaufnahme der Krankenhäuser aufsuchen, wird die Software SmED (Strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland) verwendet. Die digital erhobenen Daten der Patienten können dabei zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor ausgetauscht werden.
„Mit dem Modellprojekt wollen wir in Hessen die ambulanten Ärzte und den Rettungsdienst besser miteinander verbinden, um so die Notaufnahmen zu entlasten“, erklärte Starke. An dem Projekt sind neben der KV die Hessische Krankenhausgesellschaft, der Rettungsdienst, der Städte- und der Landkreistag sowie das hessische Gesundheitsministerium beteiligt. Aufgrund der Coronapandemie werde es allerdings nicht in diesem, sondern Anfang des kommenden Jahres starten. © fos/aerzteblatt.de

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