Medizin
T-Gedächtniszellen entstehen früher als gedacht
Montag, 23. November 2020
München – Die gängige Lehrmeinung dazu, wie sich nach einer viralen Infektion ein Immungedächtnis über sogenannte T-Gedächtniszellen ausbildet, könnte falsch sein. Das berichtet ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) in der Zeitschrift Nature Immunology (2020; DOI: s41590-020-00807-y)
Gelangt ein Virus in den Körper, nehmen bestimmte Zellen des Immunsystems den Erreger auf, transportieren ihn in die Lymphknoten und präsentieren seine Antigene dort den für Viren zuständigen sogenannten CD8-positiven-T-Zellen.
Antigen-spezifischen T-Zellen vermehren sich in der Folge stark und entwickeln sich zu sogenannten T-Effektorzellen, die Virus-infizierte Körperzellen abtöten und selbst ebenfalls absterben, sobald das Virus besiegt ist. Ein Teil dieser kurzlebigen Effektorzellen – so bislang die Theorie – verwandelt sich in T-Gedächtniszellen, die langfristig im Organismus überleben und das sogenannte Immungedächtnis bilden.
„Wir glauben aber, dass das so nicht stimmt. Denn es würde bedeuten, dass die Anzahl der Gedächtniszellen umso größer sein müsste, je mehr Effektorzellen nach Kontakt mit dem Erreger entstanden sind“, sagt Veit Buchholz, Facharzt für Mikrobiologie und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der TUM. Er beobachte mit seiner Arbeitsgruppe einen anderen Verlauf.
„Wir haben die anti-viralen Immunantworten, die von einzelnen aktivierten T-Zellen ausgehen, in Mäusen untersucht und per ‚Single Cell Fate Mapping‘ die Abstammungslinien der Gedächtniszellen nachverfolgt“, berichtet der Erstautor der Studie, Simon Grassmann.
Auf Einzelzellebene zeigte sich, dass sich aus aktivierten T-Zellen schon viel früher als bisher angenommen entweder Effektor- oder Gedächtniszellen entwickeln: „Bereits während der ersten Woche nach der Konfrontation mit dem Erreger haben wir große Unterschiede in den Transkriptomen der vorhandenen T-Zellfamilien beobachtet“, erläutert Lorenz Mihatsch, ebenfalls Erstautor der Studie.
Es zeigte sich, dass bestimmte, aus einzelnen Zellen hervorgegangene T-Zell-Familien bis zu 1.000 Mal mehr Gedächtniszellen bilden als andere. Aber: Diese langfristig dominanten T-Zellfamilien waren den anderen während der frühen, von Effektorzellen bestimmten Phase der Immunreaktion klar unterlegen.
„Normalerweise sind CD8-positive-T-Zellen zu diesem Zeitpunkt reich an Molekülen, die der Abtötung von virusinfizierten Zellen dienen. Auf diese zytolytischen Moleküle haben wir in den langfristig dominanten T-Zellfamilien aber keinen Hinweis gefunden. Sie waren stattdessen schon früh ganz auf Gedächtnisentwicklung eingestellt“, so Mihatsch.
„Die Erkenntnisse könnten künftig helfen, die Impfstoffentwicklung zu verbessern“, meint Buchholz. So könnte es sinnvoll sein, schon wenige Tage nach einer Impfung die Anzahl zentraler Gedächtnisvorläufer zu messen, um die langfristige Stärke einer Immunantwort zu bestimmen, so der Wissenschaftler. © rme/aerzteblatt.de
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