Politik
Neue Regelungen zur Förderung der Gruppenpsychotherapie beschlossen
Montag, 23. November 2020
Berlin – Die psychotherapeutische Behandlung in einer Gruppe ist ein wichtiges Angebot für psychisch kranke Menschen, das zu wenig genutzt wird.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) will deshalb ein neues niederschwelliges Behandlungsangebot einführen und hat am vergangenen Freitag die Psychotherapierichtlinie dahingehend ergänzt. Weitere Änderungen in der Richtlinie zielen darauf ab, das Angebot von Gruppensitzungen zu erhöhen und das Gutachterverfahren zu vereinfachen.
Um mögliche Vorbehalte von Patienten abzubauen, führt der G-BA eine niederschwellige Kurzgruppe („Gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung“) ein. In bis zu vier Sitzungen à 100 Minuten (alternativ: acht Sitzungen à 50 Minuten) sollen sich Patienten künftig über diese Form der Psychotherapie informieren und praktische Erfahrungen sammeln können.
Diese antragsfreie Gruppe kann auch als problem- oder krankheitsspezifische Kurzgruppe gestaltet werden. Die Nutzung und die Auswirkungen der Kurzgruppe sollen innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten der Regelung evaluiert werden.
Probatorische Sitzungen können künftig auch in der Gruppe durchgeführt werden. Dafür muss eine Indikation für eine gruppenpsychotherapeutische Behandlung bestehen, allein oder in Kombination mit einer Einzelpsychotherapie. Mindestens eine probatorische Sitzung muss jedoch weiterhin als Einzelstunde erfolgen, bei einem Wechsel des Psychotherapeuten nach der Sprechstunde sind sogar zwei Einzelstunden erforderlich.
Gruppentherapie mit zwei Therapeuten
Eine Gruppentherapie kann zukünftig auch gemeinsam von zwei Therapeuten betreut und damit gegebenenfalls auch praxisübergreifend organisiert werden. So könne der Therapieprozess besser moderiert und die Interaktion der Gruppenmitglieder gesteuert werden, heißt es in dem G-BA-Beschluss. In kritischen Situationen könnten sich die Therapeuten gegenseitig unterstützen.
„Der G-BA setzt mit diesem Beschluss an verschiedenen Stellen an, um der Gruppentherapie in der psychotherapeutischen Versorgung nochmals einen höheren Stellenwert zu verschaffen“, sagte Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Psychotherapie.
Patienten könnten zum Beispiel mit dem neuen Angebot einer gruppenpsychotherapeutischen Grundversorgung vor der eigentlichen Therapie für sich prüfen, ob eine Gruppe für sie infrage kommt. Zugleich solle aber auch die Angebotssituation für Psychotherapeuten erleichtert werden. Inhaltliche wie organisatorische Hürden würden flacher.
„Einen großen unterstützenden Effekt für die Patienten versprechen wir uns davon, dass die Gruppentherapie zukünftig von zwei therapeutischen Fachkräften gemeinsam angeboten werden kann“, betonte Lelgemann. Eine praxisübergreifende Kooperation sei dann möglich.
Weitere Vereinfachungen des Gutachterverfahrens
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung am 23. November 2019 entfiel bereits das Gutachterverfahren für Gruppentherapien. Mit dem neuen G-BA-Beschuss brauchen zukünftig nun auch Anträge auf eine Langzeittherapie mit einer Kombination aus überwiegend Gruppentherapie mit Einzeltherapie nicht mehr einem Gutachter vorgelegt zu werden.
„Hiermit wird nicht nur das Gutachterverfahren verschlankt, sondern zugleich die Gruppentherapie gefördert: Denn viele Therapeuten haben, beispielsweise bei Einrichtung einer neuen Therapiegruppe, die Verpflichtung zur Vorlage von Therapieanträgen für jedes einzelne Gruppenmitglied bei einem Gutachter als zu aufwendig erachtet“, erklärte Lelgemann.
Bundespsychotherapeutenkammer übt Kritik
Kritische Anmerkungen zu dem Änderungsbeschluss des G-BA kommen von der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Diese hatte sich bei der neuen niederschwelligen Kurzgruppe für einen Umfang von mindestens acht Doppelstunden ausgesprochen (statt wie beschlossen vier), „damit bereits eine erste wirksame Behandlung durchgeführt werden kann“.
In Bezug auf die neu beschlossenen probatorischen Sitzungen in der Gruppe hatte die BPtK flexiblere Regelungen gefordert. Die nach Ansicht der BPtK „sinnvolle Neuerung“, Gruppen künftig von zwei Psychotherapeuten durchführen lassen zu können, habe der G-BA „unnötig verkompliziert“. Nämlich mit der Regelung, je Psychotherapeut mindestens drei und höchstens neun Patienten fest zuzuordnen und entsprechend abzurechnen.
Darüber hinaus kritisiert die BPtK, dass der G-BA die Regelung zur Probatorik während der stationären Behandlung nicht weiter konkretisiert habe. „Insbesondere bleibt für diesen Fall die Durchführung von probatorischen Sitzungen in der Praxis der Psychotherapeuten ungeregelt, heißt aus der Kammer. Die BPtK hatte hier eine Klarstellung gefordert.
Mit dem Änderungsbeschluss setzt der G-BA die Vorgaben aus dem Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung um. Der Gesetzgeber hatte den G-BA beauftragt, bis zum 31. Dezember diesen Jahres Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und zur weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens zu beschließen.
Der Beschluss zur Änderung der Psychotherapierichtlinie wird nun dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Er tritt nach Nichtbeanstandung durch das BMG und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. © PB/EB/aerzteblatt.de

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