Politik
Auch nach den ersten Coronaimpfungen bleiben offene Fragen
Donnerstag, 26. November 2020
Berlin – Der Geschäftsführer der Dievini Hopp BioTech Holding, Friedrich von Bohlen und Halbach, geht davon aus, dass DNA- und mRNA-basierte Impfstoffe schnell und günstig adaptiert werden können, um auch gegen mutierte Coronavirusstämme zu wirken.
„Dann sind Cocktailimpfungen möglich“, sagte er heute zur Eröffnung des virtuellen Nationalen Qualitätskongresses. Im Portfolio der Holding befindet sich auch CureVac, in dessen Aufsichtsrat von Bohlen zudem sitzt.
Der studierte Biochemiker prognostizierte, dass COVID-Impfstoffe das Zeitalter der mRNA „als versatilste Impfstoff- und Wirkstoffklasse einläuten“ werden. mRNA könne gegen viele Infektionserkrankungen und gegen so gut wie jeden Tumor entwickelt und verwendet werden, meinte er. Die transformative Kraft liege dabei in der Molekularbiologie. „Sie wird für die Medizin, was die Mathematik für die Physik ist“, so von Bohlen.
Dass wirksame und sichere Impfstoffe gegen COVID-19 schon bald zur Verfügung stehen, steht für ihn außer Frage. „Es wird dabei sehr wahrscheinlich in gewissen Zeitabständen, voraussichtlich einmal im Jahr, wieder geimpft werden müssen“, meinte er.
Da allerdings nicht jeder durch eine Impfung geschützt werden könne und da Wiederinfektionen möglich seien, würden Hygiene- und weitere Vorsichtsmaßnahmen aus dem Alltag der Menschen nicht mehr verschwinden.
„Durch das bessere Verständnis der Erkrankung werden bessere Therapien für die unterschiedlichen Phänotypen entwickelt werden können“, erklärte von Bohlen. „Damit wird eine Coronaviruserkrankung weniger bedrohlich.“ Allerdings seien andere Pandemien sehr wahrscheinlich, da Menschen und Tiere immer dichter zusammenleben würden.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, begrüßte die gestern gefassten Regelungen der Bundesregierung zur Verschärfung des Teillockdowns. „Eines wissen wir sicher: Die Reduktion von Kontakten ist hilfreich“, sagte er auf dem Qualitätskongress. Man müsse nun eine Balance finden zwischen dem Gesundheitsschutz und dem sozialen Leben der Menschen.
Auswirkungen gering halten
Reinhardt hatte heute zuvor bereits betont, dass man versuchen müsse, negative psychosoziale Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen so gut es geht zu minimieren. Gerade für ältere Mitbürger, die wohl am meisten unter Isolation und Einsamkeit in Zeiten des Lockdowns leiden würden, sei es wichtig, die Weihnachtsfeiertage im Kreis der Familie verbringen zu können.
Nun gilt es Reinhardt zufolge, die Ausnahmeregeln an den Feiertagen verantwortlich zu nutzen und sich selbst wie auch andere vor Ansteckung zu schützen. „Wenn wir uns an die Infektionsschutzbestimmungen halten und die AHA-Regeln befolgen, sind die zeitlich begrenzten Lockerungen vertretbar und aus psychosozialen Gründen sogar geboten.“
Auf dem Kongess sprach sich Reinhardt dafür aus, nach einem Weg zu suchen, wie die Schutzmaßnahmen von geimpften Menschen oder wieder genesenen COVID-19-Patienten eingehalten werden müssen. „Wie gehen wir damit um, wenn die ersten zehn Millionen Menschen geimpft sind?“, fragte er. „Wie sollen sie sich in der Gesellschaft bewegen? Müssen sie die gleichen Regeln einhalten wie die anderen?“ Diese Fragen müssten jetzt geklärt werden.
Der Geschäftsführer des IGES-Instituts, Bertram Häussler, zeigte sich für den weiteren Verlauf der Pandemie in Deutschland optimistisch. „Meiner Meinung nach wird die Zahl der COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen nicht mehr exorbitant steigen, wenn die Zahl der Neuinfektionen weiterhin bei 18.000 stagniert“, sagte er.
Er betonte allerdings, dass die Kapazitäten auf den Intensivstationen nicht aufstockbar seien. Wenn sie von COVID-19-Patienten belegt seien, gingen sie für andere Intensivpatienten verloren. „Ich glaube, bis Weihnachten werden wir die 18.000 Neuinfektionen pro Tag halten“, sagte Häussler. „Danach werden wir uns aus meiner Sicht zunächst leicht aufwärts bewegen.“
Im Januar und Februar werde man dann entweder die Wirkungen der Impfungen sehen oder es werde noch einmal eine massive Intervention von zwei bis vier Wochen geben. Dabei sprach er sich dafür aus, eine entsprechende Intervention früher zu beginnen als in der aktuellen zweiten Welle.
„Wenn wir im Hinblick auf die Fallzahlen zum selben Zeitpunkt aktiv geworden wären wie im Frühjahr, hätten wir den Lockdown am 9. Oktober beginnen müssen“, sagte Häussler. „Dann hätten wir uns die aktuelle Problematik erspart. Ich will aber nicht sagen, dass es so einfach gewesen wäre, einen Lockdown zu diesem Zeitpunkt durchzusetzen.“ © fos/aerzteblatt.de

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