Medizin
Soziale und kulturelle Aspekte entscheidend für die Bevölkerungsprävention
Donnerstag, 3. Dezember 2020
München – Die Bedeutung von sozialen und kulturellen Aspekten in den Strategien zur Prävention und Therapie von Erkrankungen hat ein internationales Team um Michael Pritsch von der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin am Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU) untersucht.
Sie konzentrierten sich dabei auf die Chagas-Krankheit in einer stark betroffenen Region in Bolivien. Ihre Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PLOS Neglected Tropical Diseases erschienen (2020; DOI: 10.1371/journal.pntd.0008752).
Die Chagas-Krankheit wird durch den einzelligen Parasiten Trypanosoma cruzi (T. cruzi) verursacht, der hauptsächlich durch die Stiche von Raubwanzen übertragen wird. Ohne Behandlung kann die Krankheit chronifizieren und zu lebensbedrohlichen Schäden vor allem am Herzen oder im Darm führen. Sie tritt vor allem in Lateinamerika auf, ist aber durch die Globalisierung weltweit auf dem Vormarsch.
Die Arbeitsgruppe untersuchte die Präventionsstrategien in der Region Monteagudo im bolivianischen Chaco, einer Region, in der oft mehr als die Hälfte aller ansässigen Erwachsenen mit T. cruzi infiziert sind. „Verschiedene Nichtregierungsorganisationen haben dort bereits Gesundheitsprojekte bezüglich Chagas durchgeführt“, erläuterte Sandra Parisi, eine Erstautorin der Arbeit.
Als Mitarbeiterin der Deutschen Lepra und Tuberkulosehilfe hat Parisi gemeinsam mit bolivianischen Medizinstudierenden und Wissenschaftlern rund zehn Prozent der Haushalte im Gebiet von Monteagudo interviewt, um deren Einstellung zu den Projekten sowie ihr aktuelles Wissen und Präventionsverhalten bezüglich Chagas zu untersuchen.
Zudem haben die Wissenschaftler im Rahmen von qualitativen Interviews Schlüsselpersonen wie Patienten, Ärzte, lokale Autoritäten und traditionelle Heiler befragt. Die Bevölkerung empfindet die Krankheit zum Erstaunen der Forscher offenbar häufig als normal. „Wenn du kein Chagas hast, bist du kein echter Chaqueño – solche Aussagen bekamen wir öfter zu hören“, berichtete Parisi.
Sorgen bereitete den Autoren auch die oft ablehnende Einstellung der Bevölkerung gegenüber der derzeitigen Therapie der Wahl mit dem Medikament Benznidazol. Oft zögen die Menschen alternative Heilmethoden vor, weil diese besser verfügbar seien und geringere Nebenwirkungen hätten. Ein wichtiger Grund hierfür war auch ein Missverständnis bei der Interpretation von Schnelltests, die auf Antikörperuntersuchungen basieren.
Oft wurde ein weiterhin positiver Test fälschlich als Therapieversagen gewertet. „Dies unterstreicht für uns, wie wichtig es ist, zukünftige Projekte partizipativ zu begleiten, um solche Missverständnisse rechtzeitig aufzufangen und gegensteuern zu können“, zieht Pritsch ein Fazit.
Denn die Meinungen von anderen Gemeindemitgliedern, Tierärzten und traditionellen Heilern waren den Menschen bei der Therapieentscheidung mindestens genauso wichtig wie die der Ärzte. Aus diesem Grund ist es nach Ansicht der Autoren unumgänglich, alle relevanten Schlüsselpersonen bei zukünftigen Projekten einzubeziehen. © hil/aerzteblatt.de
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