Politik
Ausländische Pflegekräfte: Hinweise auf Knebelverträge
Freitag, 27. November 2020
Berlin – In der Pflege werden Fachkräfte dringend gebraucht. Gesucht wird daher auch im Ausland. Doch bei der Anwerbung, die derzeit großteils in den Händen privater Vermittlungsagenturen liegt, die etwa im Auftrag von Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten, gibt es „fragwürdigen Praktiken“, wie der Rechercheverbund Correctiv schreibt.
So sollen laut Arbeitsverträgen, die Correctiv nach eigenen Angaben vorliegen, Pflegekräfte die Kosten ihrer Anwerbung ganz oder teilweise zurückzahlen, wenn sie vor Ablauf einer bestimmten Frist den Arbeitgeber wechseln wollen. Diese Kosten könnten bis zu 15.000 Euro betragen. In einigen Fällen habe die Frist sogar fünf Jahre betragen, heißt es.
Christiane Brors, Arbeitsrechtsexpertin an der Universität Oldenburg, beurteilt das als „moderne Schuldknechtschaft“. „Wie soll ein Arbeitnehmer, der vielleicht etwas mehr als Mindestlohn verdient, solche Summen zurückzahlen?“, fragte sie.
Solche Methoden sieht auch die Caritas kritisch. Die Rekrutierung von ausländischen Pflegekräften sei grundsätzlich nicht das Allheilmittel gegen den Pflegenotstand, sagte Caritas-Sprecherin Mathilde Langendorf dem Deutschen Ärzteblatt. Es herrsche im Verband zudem eine „hohe Sensibilität“ für Fragen rund um die faire Anwerbung von ausländischen Pflegekräften und für das Thema Care Drain – also für Lücken, die die Anwerbung von Pflegekräften in den Herkunftsländern reißt.
Langendorf betonte, man fordere „explizit die Etablierung von Qualitätsstandards für Vermittlungsagenturen“, damit sich die pflegebedürftigen Menschen und ihre An- und Zugehörigen darauf verlassen könnten, dass sie ein legales Beschäftigungsverhältnis als Grundlage haben.
Ob es bei der Caritas Knebelverträge gibt, ist unklar. In der Zentrale des Verbandes seien keine Fälle bekannt, hieß es. Die Inanspruchnahme der Dienste von Agenturen scheine im Verband grundsätzlich nicht verbreitet zu sein. Bewusst würden Arbeitgeber der Caritas auf keinen Fall für solche Knebelmodelle zur Verfügung stehen, sagte Langendorf. Man setze sich „entschieden für faire Anwerbungsbedingungen ein“.
Ethische Aspekte hochhalten will auch die Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (Defa), die im vergangenen Jahr gegründet wurde. Ziel der Gründung der Defa ist es, ausländische Pflegekräfte leichter in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren, um den Mangel an Pflegefachkräften zu mindern. Die Dauer der Anerkennung ausländischer Pflegeabschlüsse sollte auf wenige Monate reduziert werden. Eingliederungsverfahren dauern derzeit bis zu zwei Jahre.
Defa-Geschäftsführer Thorsten Kiefer sagte dem Deutschen Ärzteblatt, dass ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit der Defa daraus besteht, prekäre Zustände bei der Zuwanderung zu verhindern. „Die Defa verpflichtet ihre Partner zur Einhaltung der internationalen Standards zur Fachkräftemigration und kontrolliert dies stichprobenartig nach“, erläutert Kiefer. Perspektivisch wolle man künftig gemeinsam mit Partnern Akkreditierungsverfahren für ethisch korrekte und qualitativ hochwertige Anwerbeprozesse anbieten.
28 Fälle abgeschlossen
Bisher hat die Defa in den vergangenen zehn Monaten trotz der coronabedingten Einschränkungen rund 1.600 Fallbegleitungen mit Kunden vereinbart. Diese Fachkräfte würden aber durch Kunden angeworben, die notwendigen Anträge auf Berufsanerkennung, Arbeitsmarktzulassung und Einreise durch die Defa vorbereiten und stellen ließen, stellt die Defa klar.
Derzeit befinden sich laut Defa 200 Fälle in konkreter Bearbeitung, weitere 250 Fälle seien in der Antragsvorbereitung. 28 Fälle seien abgeschlossen worden. „Mittlerweile nutzen bereits zahlreiche der relevanten in den Defa-Pilotländern aktiven deutschen Agenturen die Zusammenarbeit mit der Defa als Aushängeschild für professionelle qualitätsgesicherte Anwerbung“, betonte Kiefer.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die geringe Zahl von Pflegekräften, die bisher aus dem Ausland gewonnen werden konnten, kürzlich bei einer Pressekonferenz zur konzertierten Aktion Pflege mit der Coronapandemie begründet. Mit der Defa seien Prozesse bei Visumserteilung und Berufsanerkennung optimiert worden, so Spahn. Nach dem Ende der Coronapandemie könne man deshalb auf mehr Pflegekräfte hoffen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen.
Defa-Geschäftsführer Thorsten Kiefer erläuterte dem Deutschen Ärzteblatt, dass ein erfolgreicher Anwerbeprozess aus Drittstaaten selten unter einem Jahr in Anspruch abgeschlossen werden kann. Er warnte daher vor allzu großen Erwartungen an schnelle Lösungen.
„Allein der erfolgreiche Spracherwerb ist realistischerweise mit sechs bis neun Monaten zu bemessen“, betonte Kiefer. Vor diesem Hintergrund sei es „schlechterdings unmöglich“, dass die DeFa schon ein Jahr nach ihrer Gründung großvolumige Anwerbekontingente nach Deutschland bringen könne.
Hinzu kommt aus Sicht von Kiefer die Einschränkung, dass in den maßgeblichen Pilotländern der Defa coronabedingt sowohl Sprachkurs- und Sprachprüfungsbetrieb als auch die Ausreisemöglichkeit aus dem Hauptpilotland Philippinen massiv eingeschränkt gewesen seien. Es sei daher „als ein Erfolg zu sehen“, dass derzeit rund 200 konkrete Fälle in Bearbeitung, weitere 250 in Vorbereitung und bereits 28 Fälle abgeschlossen seien. © may/aerzteblatt.de

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