Medizin
Wie das Leben auf dem Bauernhof Kinder vor Asthma schützt
Dienstag, 1. Dezember 2020
München – Bauernhofkinder haben ein geringeres Asthmarisiko als Kinder, die nicht auf einem Bauernhof leben. Eine Forschungsgruppe des Helmholtz Zentrums München und des Dr. von Haunerschen Kinderspitals der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) berichtet nun, wie das Darmmikrobiom von Kindern an diesem Schutzprozess beteiligt ist. Die Arbeit ist im Fachmagazin Nature Medicine erschienen (2020; DOI: 10.1038/s41591-020-1095-x).
„Der Darm ist das größte Immunorgan des Menschen“, berichten die Wissenschaftler – „weshalb die Reifung des Immunsystems untrennbar mit der Reifung der kolonisierenden Bakterien, dem Darmmikrobiom, verbunden ist“. Frühere Studien hätten bereits belegt, dass ein vielfältiges Umweltmikrobiom zu einer Schutzwirkung vor Asthma führt, die besonders bei Bauernkindern ausgeprägt ist.
Die Forschungsgruppe untersuchte nun, ob dieser Effekt auf den Reifungsprozess des Darmmikrobioms bei Kindern zurückzuführen sein könnte. Dazu analysierten die Forschenden Stuhlproben von mehr als 700 Kindern im Alter von 2 bis 12 Monaten, die teilweise auf traditionellen Bauernhöfen aufwuchsen. Die Proben stammten aus PASTURE, einer europäischen Geburtenkohorte, die bereits seit knapp 20 Jahren läuft und von der Europäischen Kommission gefördert wird.
„Wir stellen fest, dass ein vergleichsweise großer Teil der Schutzwirkung des Bauernhofs vor Asthma im Kindheitsalter auf die Reifung des Darmmikrobioms im ersten Lebensjahr zurückzuführen ist“, erklärt Martin Depner, Biostatistiker am Helmholtz Zentrum München.
Dies deute darauf hin, dass Bauernhofkinder mit Umweltfaktoren in Berührung kämen, die mit ihrem Darmmikrobiom interagierten und diesen Schutzeffekt herbeiführten. Bauernhofspezifische Einflüsse wie der Aufenthalt in Tierställen hatten laut der Studie einen starken Einfluss auf die Reifung des Darmmikrobioms. Für die Zeit der ersten 2 Lebensmonate trugen eine vaginale Geburt und Stillen des Kindes ebenfalls zur Schutzfunktion des Mikrobioms bei.
Darüber hinaus stellten die Forschenden fest, dass Asthma bei Kindern häufiger war, wenn diese wenig sogenanntes Butyrat im Stuhl hatten. Butyrat ist eine kurzkettige Fettsäure, von der bekannt ist, dass sie bei Mäusen eine asthmaschützende Wirkung hat.
Die Forschenden kamen zu dem Schluss, dass Darmbakterien wie Roseburia und Coprococcus, die kurzkettige Fettsäuren produzieren, auch beim Menschen zum Asthmaschutz beitragen könnten. Kinder mit einem ausgereiften Darmmikrobiom wiesen im Vergleich zu anderen Kindern eine höhere Menge an Roseburia- und Coprococcus-Bakterien auf.
„Unsere Studie liefert weitere Hinweise darauf, dass der Darm einen Einfluss auf die Gesundheit der Lunge haben kann. Die Atemwege der untersuchten Kinder wurden durch ein ausgereiftes Darmmikrobiom mit einem hohen Gehalt an kurzkettigen Fettsäuren geschützt. Dies spricht für die Idee einer relevanten Darm-Lungen-Achse beim Menschen“, sagte Markus Ege, Professor für klinisch-respiratorische Epidemiologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital.
Die Studie zeigt laut den Wissenschaftlern auch, dass nicht ein einzelnes Bakterium für den Asthmaschutz verantwortlich ist. Vielmehr sei die Reifung des gesamten Darmmikrobioms der Schlüsselfaktor. „Diese Erkenntnis stellt den Einsatz einzelner Bakterien als Probiotika zur Asthmaprävention in Frage“, berichten sie. © hil/aerzteblatt.de
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