Politik
Pflegekräfte sollen eigene Kompetenzbereiche erhalten
Montag, 30. November 2020
Berlin – Vertreter von Ärzteschaft, Pflege und Politik haben sich dafür ausgesprochen, dass qualifizierte Pflegekräfte eigenverantwortlich Versorgungsaufgaben übernehmen sollen.
„Ich bin davon überzeugt, dass wir im Bereich der Zusammenarbeit der Berufsgruppen den Anschluss an andere Länder finden und neue Wege gehen müssen“, sagte der Leiter des Dezernats „Ärztliche Leistungen“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Bernhard Gibis, kürzlich auf einer virtuellen Konferenz der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung (GVG) zum Thema Interprofessionalität.
Die Versorgung der Zukunft werde zunehmend ambulant, betonte er. Einzelakteure seien dabei immer weniger gefragt, sondern ein Zusammenwirken zwischen den Gesundheitsberufen. Auch den demografischen Wandel werde man nur gemeinsam mit allen Berufsgruppen lösen.
„Dafür müssen wir die bisherigen Sektoren aufbrechen“, sagte Gibis. Er berichtete von Teammodellen, die die KBV derzeit entwickle, zum Beispiel im Bereich der Schmerztherapie. „Dabei greifen die ärztliche Behandlung, eine psychologische Betreuung, soziale Aspekte und die Pflege ineinander“, erklärte Gibis. Problematisch sei dabei allerdings, dass die aktuellen Vergütungssysteme Teamleistungen nicht abbildeten.
Kritik an Arztzentriertheit
Die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, kritisierte die Arztzentriertheit im deutschen Gesundheitswesen. „In Deutschland hängt alles an der Berufsgruppe der Ärzte. Wenn wir dabei bleiben, wird sich nichts verändern“, sagte sie.
Vogler forderte mehr Kompetenzen für qualifizierte Pflegekräfte. „Die Gesundheitsberufe sind eigenständige Professionen, die unabhängig von den Ärzten ihre Kompetenzbereiche zugeschrieben bekommen müssen: bis in die letzte Verantwortung, also auch inklusive der Haftung“, sagte sie. Das gelte sowohl für die Pflege als auch für andere Gesundheitsberufe wie Physiotherapeuten.
Natürlich gebe es Verantwortungsbereiche, die immer bei den Ärzten bleiben würden. „Ich würde aber gerne Kompetenzbereiche für die anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen formulieren, die diese autonom verantworten, bei der Pflege zum Beispiel die Wundversorgung“, sagte Vogler.
Auch die Leiterin der Abteilung 2 „Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), Sonja Optendrenk, zeigte sich offen für eine Neuordnung der Aufgaben im Gesundheitsbereich. „Wir müssen die Arbeitsteilung im Gesundheitswesen noch einmal überdenken und schauen, wer welche Aufgaben übernehmen kann und wer sie übernehmen sollte“, sagte sie.
Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels müsse man da umdenken. „Wir müssen alle Kompetenzen, die wir im Gesundheitssystem haben, so gut wie möglich nutzen“, betonte sie. Dabei müsse aber sehr klar zugeschnitten sein, wem welche Kompetenzen übertragen werden.
Optendrenk betonte, dass dieses Thema sehr komplex sei. „Die entscheidende Frage ist am Ende: Wer trägt die Verantwortung?“, erklärte sie. „Wir brauchen am Ende immer jemanden, der haftungsrechtlich, wirtschaftlich und gegenüber dem Patienten die Verantwortung übernimmt. Dafür müssen wir Regeln finden und das ist nicht banal.“ Nicht banal sei es zudem, dafür eine passende Vergütung zu bestimmen.
Gibis sprach sich in diesem Zusammenhang für „zuschreibbare Strukturen“ aus. „Es geht nicht, dass sich alle um einen Patienten kümmern können und am Ende kümmert sich dann keiner richtig“, betonte er. Wenn ein Gesundheitsberuf autonom arbeite, müsse er auch die Verantwortung dafür übernehmen.
Natürlich seien qualifizierte Pflegekräfte dabei in der Lage, eine Wundversorgung alleine vorzunehmen. „Wir werden da in den nächsten Jahren Veränderungen erleben“, meinte Gibis und erinnerte daran, dass es vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen sei, dass Medizinische Fachangestellte Hausbesuche machen. „Heute ist das akzeptiert“, sagte er. „Das ist aber ein Kulturwandel, der seine Zeit braucht.“
Regelung im Gesetz
Im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) wurde im Januar dieses Jahres ein Strategieprozess begonnen, in den „auch Möglichkeiten der Übertragung von Heilkunde auf Pflegefachpersonen und weiterer Verordnungskompetenzen, zum Beispiel für Hilfsmittel, einbezogen“ werden sollen, wie es im Abschlussbericht der KAP heißt.
An dem Prozess sind unter anderem das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesfamilienministerium, der DPR, die Pflegekammern und die Bundesärztekammer beteiligt. Zudem will das BMG die Übertragung heilkundlicher Aufgaben durch ausgebildete Pflegefachpersonen in seine Reform der Pflegeversicherung mit aufnehmen. © fos/aerzteblatt.de

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