Politik
Arzneimittel: EU arbeitet an Vermeidung von Lieferengpässen
Dienstag, 1. Dezember 2020
Berlin/Amsterdam – Die Bundesregierung will sich in der Europäischen Union (EU) dafür einsetzen, dass pharmazeutische Unternehmen Informationen über die von ihnen verwendeten Wirkstoffe und deren Hersteller veröffentlichen müssen. Das erklärte der Leiter der Abteilung Arzneimittel im Bundesgesundheitsministerium, Thomas Müller, heute auf einer virtuellen Konferenz des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH).
„Wir glauben, dass diese Daten unverzichtbar für weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Lieferengpässen sind, zum Beispiel für die Beschaffung von Arzneimitteln oder die Setzung von Anreizen für eine Arzneimittelproduktion in Europa“, sagte Müller. Eine entsprechende Regelung hatte die Bundesregierung in das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) aufgenommen, das im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist.
Ein weiteres wichtiges Ziel sei es, die Abwanderung der Produktion von kritischen Arzneimitteln wie Antibiotika aus Europa zu verhindern, sagte Müller. Denn es sei sehr schwer, das entsprechende Know-how wieder aufzubauen, wenn es einmal abgegeben worden sei.
Müller wies darauf hin, dass es in den letzten zehn Jahren eine deutliche Verlagerung der Generikaproduktion in Länder außerhalb der EU gegeben habe, zum Beispiel bei Antibiotika, Schmerzmitteln und Medikamenten, die in der Intensivmedizin gebraucht werden. Bei innovativen Arzneimitteln und bei Impfstoffen habe es jedoch kaum Abwanderungen gegeben. Diese Arzneimittel würden eher aus Europa exportiert.
Qualitätsprüfungen in Drittstaaten
Müller sprach sich zudem dafür aus, die Qualitätsprüfungen im Bereich der Arzneimittelproduktion in den Drittländern auszuweiten. „Die FDA ist Europa hier überlegen“, sagte er. „Denn die FDA ist stärker in den Drittländern präsent, um die Qualität der Produktion vor Ort zu überwachen.“ Eine solche Überwachung sei wichtig.
Bislang sind pharmazeutische Unternehmen nicht gesetzlich dazu verpflichtet, Lieferengpässe zu melden. „Um langfristig Lieferengpässe zu vermeiden, brauchen wir eine gute Kommunikation und Kooperation mit allen Beteiligten“, sagte Müller.
„Eine gute Kommunikation kann nicht durch das Sanktionieren der pharmazeutischen Unternehmen oder durch gesetzliche Regelungen zu Meldepflichten ersetzt werden. Das heißt nicht, dass wir uns Meldepflichten komplett verschließen. Dennoch suchen wir als EU einen kooperativen Ansatz mit den Herstellern.“
GKV-Spitzenverband für bessere Bevorratung
Stefanie Stoff-Ahnis, Mitglied im Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, gab ihrer Sorge Ausdruck, dass eine Rückholung der Arzneimittelproduktion nach Europa die Arzneimittel verteuern könnte – ohne eine Verbesserung der Lieferfähigkeit zu erreichen.
Sie befürwortete eine stärkere Bevorratung kritischer Arzneimittel auf nationaler und auf europäischer Ebene – so, wie es der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in einem Sondergutachten vorgeschlagen hatte.
Dabei sieht sie auch die pharmazeutischen Unternehmen in der Pflicht. „Die Hersteller können darauf vertrauen, dass die Krankenkassen die Preise für ihre Arzneimittel ab dem ersten Tag nach der Zulassung erstatten“, sagte sie.
„Dann müssen die Hersteller auch gewährleisten, dass die Arzneimittel sicher zur Verfügung stehen.“ Würden die Hersteller Lieferengpässe nicht rechtzeitig melden und würden sie keine Lagerbestände aufbauen, werde man um eine Diskussion über Sanktionen nicht herumkommen.
Zudem forderte Stoff-Ahnis eine Diversifizierung der Produktion und der Transportwege. „Wir stellen uns zum Beispiel das Aufrechterhalten von mehreren separaten Produktionslinien vor“, sagte sie. Ausdrücklich begrüßte sie eine koordinierende Rolle der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), um Lieferengpässe zu vermeiden und entstandene Engpässe zu koordinieren.
EMA will Lieferengpässe besser prognostizieren
Die neue Leiterin der EMA, Emer Cooke, berichtete auf der Konferenz von den neuen Aufgaben, die die Agentur während der Coronapandemie im Bereich der Lieferengpässe übernommen habe. „Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten haben die EMA gebeten, sich beim Umgang mit den Lieferengpässen mehr einzubringen“, sagte sie.
Dafür habe die EMA eine exekutive Steuerungsgruppe eingesetzt sowie einen sogenannten Single Point of Contact, über die sich die Hersteller an die EU wenden konnten, um Lieferengpässe anzukündigen.
Zudem sei ein europäisches Netzwerk eingerichtet worden, über das Informationen über Lieferengpässe besser ausgetauscht werden könnten. Derzeit arbeite die EMA daran, Lieferengpässe besser prognostizieren zu können. © fos/aerzteblatt.de

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