Medizin
Hydroxychloroquin und Chloroquin: Arzneimittelbehörden warnen vor psychiatrischen Nebenwirkungen
Montag, 30. November 2020
Amsterdam/Bonn –Die Malariamedikamente Chloroquin und Hydroxychloroquin, die zur Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes zugelassen sind, die zu Beginn der Pandemie aber auch häufig bei COVID-19-Patienten eingesetzt wurden, können offenbar schwere psychiatrische Krisen bis hin zu suizidalem Verhalten auslösen. Die europäischen Arzneimittelbehörden nehmen jetzt einen entsprechenden Hinweis in die Fachinformationen auf.
Psychiatrische Nebenwirkungen von Chloroquin wurden bereits in den 1950er Jahren beobachtet, als das Mittel häufig zur Behandlung der Malaria eingesetzt wurde. US-Mediziner berichteten beispielsweise über eine „Psychose nach Chloroquin“ (NEJM 1958; 258: 798-800). Auch depressive Störungen wurden damals häufiger beim therapeutischen Einsatz beobachtet, während sie unter der niedrigeren Dosis, die zur Malaria-Prävention eingesetzt wurde, sehr viel seltener waren.
Auch zur Anwendung von Hydroxychloroquin beim Lupus erythematodes finden sich Hinweise auf psychiatrische Komplikationen in der Literatur. So ein Bericht über eine „toxische Psychose“ bei einem Patienten, der versehentlich mit einer erhöhten Dosis von Hydroxychloroquin behandelt wurde (Journal of the American Academy of Dermatology 1985; 12: 863-5). In den Fachinformationen einiger Chloroquin- oder Hydroxychloroquin-haltiger Arzneimittel wird auf das Risiko hingewiesen, das aber als selten eingestuft wurde.
Während der ersten SARS-CoV-2-Welle wurde Hydroxychloroquin häufiger und in höherer Dosis zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt. Im Mai veröffentlichte die spanische Arzneimittelbehörde AEMPS („Agencia Espanola del Medicamento y Productos Sanitarios“) einen Warnhinweis, nachdem es bei 6 Patienten mit COVID-19, denen höhere als die zugelassenen Dosen von Hydroxychloroquin verabreicht worden waren, zu schwerwiegenden neuropsychiatrischen Störungen gekommen war. Der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der europäischen Arzneimittel-Agentur EMA leitete daraufhin eine Risikobewertung ein, die jetzt die Bedenken der AEMPS bestätigte.
Produktinformationen aktualisieren
Danach kann es bei der Behandlung mit den beiden Wirkstoffen zu psychiatrischen Störungen kommen, die manchmal schwerwiegend sein können, sowohl bei Patienten mit als auch ohne vorherige psychische Gesundheitsprobleme. Bei der Behandlung mit Hydroxychloroquin sind die Nebenwirkungen im ersten Monat nach Beginn der Behandlung aufgetreten. Für Chloroquin, das seltener zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt wurde, liegen laut PRAC keine ausreichenden Daten vor, um einen klaren Zeitrahmen festzulegen.
Der PRAC empfiehlt, die Produktinformationen für diese Medikamente zu aktualisieren, um Angehörige der Heilberufe und Patienten besser über das Risiko suizidalen Verhaltens und psychiatrischer Störungen zu informieren.
Patienten, die Chloroquin- oder Hydroxychloroquin-haltige Arzneimittel einnehmen, sollten sofort einen Arzt aufsuchen, wenn sie psychische Gesundheitsprobleme (zum Beispiel irrationale Gedanken, Angst, Halluzinationen, Verwirrtheit oder Depressionen, einschließlich Selbstverletzungs- oder Selbstmordgedanken) selbst wahrnehmen oder andere Personen in ihrer Umgebung diese Nebenwirkungen bemerken.
Auch unter den unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW), die Ärzte oder andere Personen den Arzneimittelagenturen melden, ist es in letzter Zeit zu einer Häufung von psychiatrischen Komplikationen gekommen. Ein Team um François Montastruc von der Universität von Toulouse kommt in einer Analyse der VigiBase der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die die UAW-Meldungen verschiedener Stellen sammelt, zu dem Ergebnis, dass psychiatrische Störungen nach der Anwendung von Hydroxychloroquin mehr als sechsmal so häufig gemeldet wurden wie nach der Anwendung anderer bei COVID-19 eingesetzter Wirkstoffe wie Remdesivir, Tocilizumab oder Lopinavir/Ritonavir. Die Pharmakologen ermitteln in Drug Safety (2020; 43: 1315-1322) eine „Reporting Odds Ratio“ von 6,27, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 2,74 bis 14,35 signifikant war. © rme/aerzteblatt.de

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