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Coronaimpfstoff: Was bedeutet „90 Prozent wirksam“?

Donnerstag, 3. Dezember 2020

/Alexander Limbach, stock.adobe.com

Essen – Wissenschaftler des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung haben in ihrer Reihe „Un­statistik des Monats“ erläutert, wie die Wirksamkeitsangaben zu den neuen Coronaimpfstoffen zu ver­stehen sind. Zum Beispiel haben die Firmen Biontech und Pfizer berichtet, dass ihr Impfstoff gegen CO­VID-19 „zu 90 Prozent wirksam“ sei. Inzwischen haben Biontech und andere Hersteller berichtet, dass Impfstoffe gar zu 95 Prozent wirksam seien.

„Aber was bedeutet ‚zu 90 Prozent wirksam‘?“ fragen die RWI-Wissenschaftler. Entgegen einer land­läufi­gen Meinung sei damit nicht gemeint, dass neun von zehn Menschen, die sich impfen ließen, dadurch vor der Infektion geschützt seien.

„Das würde bedeuten, wenn man alle 83 Millionen Deutschen impft, dann sind davon 90 Prozent ge­schützt. Nur die restlichen 8,3 Millionen können sich anstecken. Das wären aber immer noch weit mehr Infizierte, als es bisher der Fall ist. Also kann das nicht gemeint sein“, so die Wissenschaftler.

Die Angaben von 90 oder 95 Prozent Wirksamkeit beziehen sich nämlich nicht auf die Gruppe der Ge­impften, sondern auf jene der Infizierten. Biontech berichtete, dass insgesamt etwa 43.000 Menschen an ihrer Studie teilnahmen, etwa die Hälfte davon wurde geimpft, die andere erhielt ein Placebo. Sieben Tage nach der zweiten Dosis gab es 94 bestätigte COVID-19 Fälle in der Studienpopulation.

Im Studienprotokoll von Pfizer findet man die Definition der Wirksamkeit: Hierzu wird der Anteil der COVID-19-Fälle in der Impfgruppe dividiert durch den Anteil der COVID-19-Fälle in der Kontrollgruppe. Die Wirksamkeitsangabe ist also eine relative Angabe.

Dies entwertet die Impfung aber keinesfalls: Immerhin muss es danach in der Impfgruppe acht Fälle und in der Placebogruppe aber 86 Fälle gegeben haben. Bei einer Reduktion von 95 Prozent durch die Im­pfung entspricht die Relation acht zu 156.

Die RWI-Wissenschaftler erinnern daran, dass sich die von Biontech und Pfizer berichteten „zu 90 Pro­zent wirksam“ auf die Reduktion von Infektionen, nicht von schweren Erkrankungen oder gar Todesfällen bezieht. „Wir können nur hoffen, dass diese Reduktion in gleichem Maße auf schwere Erkrankungen durchschlägt, aber das wird in den derzeitigen Studien nicht untersucht“, so ihr Fazit. © hil/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #765827
HübnerJ
am Freitag, 8. Januar 2021, 14:33

Nebulös

Der Kritik von KuhnJ ist zuzustimmen und der verlinkte Beitrag sehr lesenswert. Rätselhaft ist im Übrigen auch die Aussage der „Unstatistik“, dass sich die 90 Prozent „nicht auf die Gruppe der Geimpften, sondern auf jene der Infizierten“ beziehen. Was ist damit gemeint? Welche mathematisch korrekte Aussage soll sich bei der gegebenen Wirksamkeit in Bezug auf 90% der Infizierten (resp. Erkrankten) machen lassen? Es ist insbesondere nicht so, dass dann 90% der Erkrankten nicht geimpft wären (Das wären vielmehr 91%, genauer 90, 909090…%. Dass der Unterschied hier gering ist, liegt nur daran, dass die Wirksamkeit sehr hoch ist).

Alles in Allem eine ziemlich nebulöse „Unstatistik“, mit der die Autoren dem Anliegen einer wissenschaftlich fundierten Information der Allgemeinheit keinen guten Dienst erwiesen haben.
Avatar #103488
KuhnJ
am Montag, 28. Dezember 2020, 15:48

Kein Ruhmesblatt der Risikokommunikation

So verdient sich Gerd Gigerenzer um die Risikokommunikation in der Medizin gemacht hat, die "Unstatistik des Monats" zur Impfstoffwirksamkeit war kein Ruhmesblatt.

Natürlich geht es bei der Aussage "90 % wirksam" um den Anspruch, dass durch die Impfung 90 % der Geimpften geschützt sind - wenn sie auf das Virus treffen. Dass in den Zulassungsstudien viele Probanden wohl gar keinen Kontakt zum Virus hatten und deswegen nicht erkrankt sind, also die absolute Risikoreduktion klein ist, stimmt, aber man will doch für den Fall des Viruskontakts geschützt sein. Eine Unfallversicherung schließt man ja auch nicht erst nach dem Unfall ab. Siehe ausführlicher: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2020/12/25/impfstoffwirksamkeit-risikokommunikation-irrefuehrung-und-die-informierte-entscheidung/

Die hier auch im Ärzteblatt betonte Aussage Gigerenzers, die Aussage beziehe sich auf Infektion, nicht auf Krankheit oder Tod, ist übrigens sachlich falsch. Das beobachtete Outcome waren Covid-19-Erkrankungen, nicht Infektionen. Inwiefern die Impfung auch gegen die Infektion schützt, ist offen.

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