Ärzteschaft
Lancet Countdown: Vier Empfehlungen für die Gesundheit, gegen den Klimawandel
Donnerstag, 3. Dezember 2020
Berlin – Während die Coronakrise derzeit alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, fordert die Klimakrise weiter Leben – auch hierzulande. Im weltweiten Vergleich weit vorne liegt Deutschland etwa bei der Zahl der Hitzetoten über 65 Jahren, wie der Jahresbericht der Monitoring-Initiative „Lancet Countdown“ zeigt. Wie mögliche Gegenmaßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel aussehen könnten, fasst der zeitgleich mit dem Bericht veröffentlichte Policy Brief für Deutschland zusammen.
Die Empfehlungen wurden von der Bundesärztekammer, dem Institut für Epidemiologie des Helmholtz Zentrum München, der medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, der die Charité-Universitätsmedizin Berlin und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erarbeitet.
Synergieeffekte für Gesundheit, Klima und Wirtschaft nutzen
Demnach sollte es sich bei allen implementierten Strategien um „Triple-Win-Maßnahmen“ handeln, wie Annette Peters vom Helmholtz Zentrum München bei der Vorstellung des Policy Briefs betonte. Sie sollten nicht nur das Klima stabilisieren, sondern auch die Gesundheit schützen und eine nachhaltige Wirtschaft fördern.
Initiativen zur Stärkung und zum Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Coronapandemie müssten Synergieeffekte für den Klimaschutz nutzen. „Die Innovationsschubmittel im Rahmen der Coronapandemie müssen so ausgeteilt werden, dass gleichzeitig ein Fortschreiten des Klimawandels vermieden, die Gesundheit gestärkt und nachhaltige Wirtschaftszweige gefördert werden“, sagte die Epidemiologin.
Gesünder essen für das Klima
Die zweite Empfehlung des Policy Briefs bezieht sich auf die Ernährung. Sie sei ein wichtiger Faktor, mit dem jeder Bürger Einfluss auf das Klima, aber auch die eigene Gesundheit nehmen könne.
Die Nahrungsmittelproduktion sei für etwa ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich – wichtigster Faktor sei hierbei die Tierhaltung. Gleichzeitig begünstige eine Ernährung mit einem großen Anteil tierischer und hoch verarbeiteter Lebensmittel chronische und lebensbedrohende Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma und Krebs.
„Die Umsteuerung auf eine gesunde und nachhaltige Ernährungsweise ist gleichzeitig klimafreundlich“, so Peters. „Gemeinsam mit mehr aktiver Bewegung kann das den hohen Anteil nicht-infektiöser Krankheiten deutlich reduzieren.“
Verkehrspolitik und Lebensraum muss aktive Mobilität fördern
Lebensräume zu schaffen, die aktive Fortbewegung – mit dem Fahrrad, zu Fuß oder zumindest mit öffentlichen Transportmitteln – fördern, ist die dritte Maßnahme, die empfohlen wird. In Europa ist der Verkehrssektor den Herausgebern des Policy Briefs nach für etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und es werde immer deutlicher, dass Luftverschmutzung auch ein erheblicher Risikofaktor für viele Krankheiten sei.
Nicht motorisierte Bewegung hingegen wirke dem Klimawandel entgegen, senke die Luftverschmutzung und fördere gleichzeitig die Gesundheit. Die Verkehrspolitik sollte – so die Empfehlung des Policy Briefs – deshalb konsequent auf Emissionsverringerung ausgelegt sein, etwa durch fußgängerfreundliche Straßen, Radwege und einen nutzerfreundlichen öffentlichen Personennahverkehr.
Peters wies außerdem auf das „enorme Potenzial der Städte hin, den notwendigen transformativen Wandel zur Nachhaltigkeit voranzutreiben“. Das städtische Umfeld habe entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner. Lokale und kommunale Maßnahmen könnten diese Räume so transformieren, dass sie die Gesundheit fördern, während sie gleichzeitig die soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung vorantreiben. Umwelt- und Gesundheitseffekte müssten deshalb in die Stadt- und Regionalplanung integriert werden.
Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr
Ziele zu formulieren, reiche allerdings nicht aus, betonte Martin Herrmann, Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). Er berichtete über die Umsetzung der vier Empfehlungen, die der Policy Brief im vergangenen Jahr gegeben hatte.
Bei allen Punkten habe es große Fortschritte gegeben, gleichzeitig habe man lernen müssen, dass „der Berg vor uns noch riesig ist“, so Herrmanns Fazit. Während einige Städte mittlerweile über Hitzeaktionspläne verfügen und diese auch umzusetzen begonnen haben, fehlen sie in den meisten Städten und Gemeinden noch immer. In den Krankenhäusern und Pflegeheimen sehe es ähnlich aus, berichtete er. „Das ist unsere Herausforderung für das nächste Jahr.“
Den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit zur Priorität zu machen, war eine weitere Empfehlung gewesen. Auch hier sieht Herrmann noch Verbesserungsbedarf. „Viele Gesundheitsberufe haben diese Verbindung noch nicht verstanden.“
Positiv bewertete er aber, dass es mittlerweile entsprechende Wahlfächer an den Universitäten gebe und die Thematik auch in die Musterweiterbildungsordnung aufgenommen worden sei. Denn die Verankerung in Aus-, Fort- und Weiterbildung war 2019 eine weitere Empfehlung des Policy Briefs für Deutschland.
Dies gilt auch für die Verringerung des CO2-Fußabdrucks des Gesundheitssektors: Auch hier habe es Fortschritte gegeben, so nähmen zum Beispiel immer mehr Krankenhäuser an dem Projekt KLIK green teil. „Jetzt müssen wir den Blick noch auf die Emissionen richten, die der Gesundheitssektor nicht direkt verursacht, sondern durch die Einkäufe, die er tätigt“, so Herrmann. © nec/aerzteblatt.de

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