Politik
Schwangere und Kinder wahrscheinlich von Impfung auf SARS-CoV-2 ausgeschlossen
Montag, 7. Dezember 2020
Berlin – Schwangere werden wahrscheinlich von der Impfung auf SARS-CoV-2 ausgeschlossen. Das dürfte auch für Kinder unter 16 Jahren gelten. Ob Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren geimpft werden sollten, ist noch nicht entschieden. Das ließ Martin Terhardt, Kinder- und Jugendarzt und Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO), vorgestern in der rbb-Abendschau durchblicken.
Hingegen sollen Terhardt zufolge Menschen über 80 Jahre, Pflegeheimbewohner und diejenigen, die eng mit ihnen Kontakt haben – wie Ärzte und Pflegekräfte – zuerst gegen SARS-CoV-2 geimpft werden. Folgen könnten Menschen mit chronischen Erkrankungen und weitere Altersgruppen. Als „Hauptkriterium“ hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kürzlich das Alter genannt. Wer Vorerkrankungen habe, brauche eine Bescheinigung vom Haus- oder Facharzt, sagte er.
Menschen, die bereits eine Infektion gehabt haben, sollten „nicht zu den ersten gehören, die geimpft werden“, sagte Terhardt in der rbb-Abendschau weiter. Sie könnten „zurückgestellt“ und vielleicht später nochmal geimpft werden.
Ziel sei zunächst, Menschen mit hohem Risiko für schwere und tödliche Verläufe einer Infektion zu schützen, bekräftigte der STIKO-Vorsitzende Thomas Mertens im Deutschlandfunk. Dies hatten der Deutsche Ethikrat, die Ständige Impfkommission und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina im November in einem gemeinsamen Papier zur Priorisierung der Coronaimpfungen empfohlen. Ein epidemiologischer Effekt, also eine Änderung in der Dynamik der Infektionsübertragung, werde sich dagegen erst nach Monaten einstellen.
Der Kinder- und Jugendmediziner Terhardt geht davon aus, dass man zunächst weniger Impfstoff erhalten werde als man sich wünsche. Es könne sein, dass es eine Million Dosen je Woche seien. Dann könne man auch nur rund sechs bis sieben Millionen Menschen in den ersten drei Monaten des nächsten Jahres schützen. Ab dem Sommer könne man damit rechnen, dass man genügend Impfstoff auch für den Rest der Bevölkerung haben werde, die nicht zu den Priorisierungsgruppen gehören.
Abschließenden Empfehlungen in diesero Woche
Die abschließenden Empfehlungen zur Priorisierung der Impfung gegen SARS-CoV-2 will die STIKO noch in dieser Woche offiziell vorlegen. Sie sollen dann in die Impfverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) Eingang finden. Diese ist nicht bindend für die Bundesländer. „Die Empfehlung wird dann für alle Länder und Gesundheitsbehörden verfügbar sein“, sagte Mertens. Damit hätten sie alle Informationen, die sie für ihre Vorbereitungen bräuchten.
Mertens verteidigte zudem den Zeitplan mit Verweis auf das aufwendige Prüfverfahren. Es könne kein Impfstoff empfohlen werden, der formal in der EU noch gar nicht zugelassen sei. Zudem müssten die Daten zur Wirksamkeit des Stoffs in bestimmten Altersgruppen und bei Vorerkrankungen noch abschließend geprüft werden.
„Mehr Schnelligkeit als derzeit an den Tag gelegt wird, kann es gar nicht geben“, sagte Mertens mit Blick auf die Impfvorbereitungen. Nach seinen Angaben sollen die Gesundheitsbehörden der Länder aber voraussichtlich noch in dieser Woche über den Inhalt der offiziellen Impfempfehlung informiert werden. Dann könnten sie mit der Vorbereitung für die Impfungen beginnen.
Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), hatte kritisiert, dass die Feinabstimmung zu lange daure. Die Länder bereiten sich derzeit intensiv auf die geplanten Massenimpfungen vor und richten zentrale Impfzentren ein.
aerzteblatt.de
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fürchtet unterdessen zum Start der Impfungen Verteilungskonflikte. Anfangs werde die Menge an Impfstoffen begrenzt sein, sagte Spahn bei einer Onlinediskussion am vergangenen Samstag in Berlin. Nach aktuellem Stand werde es im Januar in Deutschland für eine zweistellige Millionenzahl an Impfwilligen nur drei Millionen Impfdosen geben. Deshalb werde es eine „sehr harte Priorisierung“ geben.
Spahn sagte, er rechnet mit emotionalen Diskussionen. „Es wird ja nicht umsonst an Konzepten gearbeitet, bis hin zu polizeilichem Schutz der Impfzentren“, fügte der Minister hinzu. Möglicherweise werde es Situationen geben, in denen Leute sagten: „Ich will jetzt aber“, aber noch nicht an der Reihe seien. Dann rechne er aber mit einer Entspannung.
„Wir reden hier nicht über Jahre, sondern wir reden hier über Monate, in denen wir eine absolute Priorisierung brauchen.“ Er sei zuversichtlich, dass die Pandemie im Herbst oder Winter 2021 unter Kontrolle sein werde, weil dann ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stünden. Von Ärzten erwarte er Aufgeschlossenheit, sich selbst impfen zu lassen. Eine Impfpflicht werde es aber auch für sie nicht geben.
Derzeit würden in den Impfzentren bereits „Probeläufe“ gemacht, sagte Spahn weiter. Die Vergütung der dortigen Ärzte werde durch Verträge der Länder oder Behörden vor Ort mit den Kassenärztlichen Vereinigungen geregelt, in der Regeln mit stundenweiser Bezahlung. Die ebenfalls geplanten mobilen Impfteams sollten organisatorisch an die Impfzentren angedockt werden.
Bundestagsexperten halten Impf-Gesetz für erforderlich
Nach einer Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags sollte die Bundesregierung die Impfung gegen das Coronavirus nicht einfach per Verordnung regeln, sondern mit einem Gesetz.
„Der überwiegend vertretenen Auffassung, wonach die Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beim Zugang zu Impfstoffen eines förmlichen Gesetzes bedarf, das zumindest die wesentlichen Kriterien für die Verteilung eines knappen Impfstoffes regelt, ist zuzustimmen“, heißt es in einer Ausarbeitung.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass insbesondere die Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme dafür entscheidend sei, ob diese durch ein formelles Gesetz zu regeln sei. Die Möglichkeit, Impfschutz gegen COVID-19 erlangen zu können, sei für die gesamte Bevölkerung von enormer Relevanz, da alle gleichermaßen von der Ansteckungsgefahr und den daraus folgenden Einschränkungen im Alltag betroffen seien.
Die Entscheidung, welche Bevölkerungsgruppen bei der Verteilung zunächst zu bevorzugen seien, weise somit „eine hohe generelle Grundrechtsrelevanz auf“, heißt es in der Ausarbeitung, die der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae angefordert hatte.
Der Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2“ wird derzeit noch innerhalb der Regierung abgestimmt. Der Bundestag dürfe hier „nicht wieder nur zum Zuschauer degradiert werden“, mahnte Thomae. In einer Demokratie müsse das Parlament über die wesentlichen Fragen entscheiden.
Hinweis der Redaktion: Die STIKO hat zwischenzeitlich ihre Empfehlungen in einer Entwurfsfassung in die Verbändeanhörung gegeben. Der Entwurf liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor. Mehr dazu lesen Sie hier. © may/dpa/afp/aerzteblatt.de

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