Ärzteschaft
Vertragsärzte bei digitalen Gesundheitsanwendungen noch zurückhaltend
Donnerstag, 10. Dezember 2020
Berlin – Da die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) einen „komplett neuen“ Leistungsbereich darstellen, müssten noch Erfahrungen gesammelt und das Vertrauen der Vertragsärzteschaft ausgebaut werden. So kommentierte Julius Lehmann, Leiter Abteilung Veranlasste Leistungen bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), heute die nun zwei Monate währende Startphase der DiGA-Verordnungen.
Neben einigen noch zu lösenden bürokratischen Hürden gebe es vor allem weitergehende Informationsbedarfe der Niedergelassenen, betonte Lehmann im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung von Krankenkassen und Herstellerverbänden. Dies betreffe neben den Aspekten von Datenschutz und Datensicherheit vor allem auch die Evidenz zum jeweiligen Nutzen der digitalen Anwendungen.
Bei beiden Punkten sehe die KBV noch Optimierungsbedarfe – insbesondere solle der festgestellte Nutzen der DiGA übersichtlich und einfach auffindbar dargestellt werden. Aktuell stelle sich der hohe Rechercheaufwand für die Ärzte als Hemmnis dar. Zudem müsse das Thema der ärztlichen Vergütung im Zusammenhang mit der nötigen Einarbeitung und Patientenberatung adäquat geregelt werden, so die Forderung.
Gregor Drogies, Referatsleiter bei der DAK-Gesundheit für Versorgungsforschung und Innovation, betonte in diesem Zusammenhang, die ärztliche Verschreibung von DiGA sei „der beste und sicherste Weg“ zur Inanspruchnahme der Versicherten. Alternativ zur Verordnung durch den Arzt haben die Versicherten auch die Möglichkeit, einen Antrag auf Kostenübernahme für eine bestimmte App direkt bei ihrer Krankenkasse zu stellen. Dazu müssen sie eine entsprechende Indikation nachweisen, die beispielsweise aus den ihnen vorliegenden Behandlungsunterlagen hervorgeht.
Eine Umfrage, die der Digitalverband Bitkom zusammen mit dem Hartmannbund im November 2020 durchgeführt hat, zeigt ebenfalls, dass unter den Ärzten in Deutschland noch ein großer Informationsbedarf besteht. Jeder zehnte Mediziner (zehn Prozent) weiß laut Befragung nicht, was eine DiGA überhaupt ist.
„Wir müssen die Ärzte noch besser über die Möglichkeiten digitaler Gesundheitsanwendungen informieren“, sagte Klaus Reinhardt, Bundesvorsitzender des Hartmannbundes. „Wichtig ist aber auch, dass die digitalen Gesundheitsanwendungen dem Patienten helfen und für die Ärzte Diagnose und Therapie wirklich vereinfachen. Nur dann werden sie auch in der Breite ankommen und ihren vollen Nutzen entfalten.“ © aha/aerzteblatt.de

Wie sieht es mit dem Mehrwert aus?
Bei vielen anderen DIGA scheint es noch nicht so ganz klar zu sein, wie groß der Mehrwert ist. Stellt man den Kosten einer DIGA den Nutzen gegenüber, sollte es einen positiven Netto-Nutzen geben.
Aber selbst wenn es einen Netto-Nutzen-Gewinn bei der DIGA gibt, ist noch lange nicht sichergestellt, dass Ärzte solche DIGA auch verordnen. Denn auch die Ärzte müssen eine Kosten-Nutzen-Betrachtung anstellen. Nur wenn diese für die Ärzte positiv ausfällt, werden sie DIGA verordnen.
Auf der Kosten-Seite einer DIGA steht:
- Aufwand des Arztes (für Aufklärung des Patienten, Betreuung des Patienten, Monitoring der DIGA, ....)
- mögliche Budgetrestriktionen
- mögliche Regresse für zu viel verordnete DIGA
- mögliche Regresse wegen unwirtschaftlichen Verhaltens (dass DIGA im Einzelfalle für den Patienten einen Vorteil haben, ist die eine Seite. Dass die Kosten einer DIGA höher als einer nicht-digitalen Versorgung sein können, ist die andere Seite. Wenn die Kassen lediglich die Kosten abwägen, müssen DIGA zwangsläufig hinten runter fallen.)
Auf der Nutzen-Seite einer DIGA steht für den Arzt
- Betreuungsaufwand sinkt
- Compliance des Patienten steigt
- möglicherweise wird die Verordnung von DIGA sogar von Regressen ausgenommen.
Erst wenn die Ärzte wissen, wo der Mehrwert für sie liegt und wie hoch er ist, werden sie DIGA verordnen.
Bei einigen bisher diskutierten DIGA erkenne ich den Nutzen für den Hersteller. Vielleicht auch noch einen Nutzen für den Patienten. Den Nutzengewinn für den Arzt habe ich dagegen nicht immer erkannt.

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