Ärzteschaft
Sexuelle Gewalt: Opfer schon während der Vernehmung behandeln
Montag, 7. Dezember 2020
Berlin – Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) weist auf die schweren Belastungen hin, die viele Kinder und Jugendliche durch sexuelle Gewalt erleiden und fordert, bereits während der Vernehmungen in einem Strafverfahren mit einer Psychotherapie für die Opfer zu beginnen.
Dafür sei eine Klarstellung im Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder erforderlich, zu dem heute im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages eine Anhörung stattfand.
„Die traumatisierten Kinder und Jugendlichen benötigen frühestmöglich eine psychotherapeutische Betreuung und Behandlung, um ihre Gewalterfahrungen zu verarbeiten und damit die Befragungen während des Strafverfahrens nicht zu einer Retraumatisierung führen“, sagte der Präsident der BPtK, Dietrich Munz. Eine Psychotherapie stehe der Beweiserhebung nicht im Weg, sondern mache sie vielfach überhaupt erst möglich.
Nach polizeilichen Statistiken erleiden in Deutschland pro Jahr mindestens 27.000 Kinder und Jugendliche sexuelle Gewalt. Darunter fallen Straftaten wie Vergewaltigung, Missbrauch, Kinderpornografie und Zuhälterei. Die Dunkelziffer von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sei noch viel höher.
„Viele dieser Kinder und Jugendlichen sind schwer traumatisiert und benötigen intensive psychotherapeutische Behandlung“, so die BPTtK. Die Kammer fordert zudem, Strafverfahren bei minderjährigen Opfern sexualisierter Gewalt zu beschleunigen und dazu ein ausdrückliches Beschleunigungsgebot in das Gesetz aufzunehmen.
Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung schlagen in ihren gleichlautenden Gesetzentwürfen unter anderem eine Verschärfung des Strafrechts, die Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse, eine verbesserte Qualifikation der Jugendrichter sowie der Jugendstaatsanwälte sowie eine stärkere Prävention vor.
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder soll laut dem Entwurf künftig bereits im Grundtatbestand als Verbrechen geahndet werden. Die Verbreitung, der Besitz und die Besitzverschaffung von Kinderpornografie sollen ebenfalls als Verbrechen eingestuft werden.
„Den Strafverfolgungsbehörden sollen weitergehende Ermittlungsbefugnisse im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und im Bereich der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinderpornografischer Schriften an die Hand gegeben werden“, informiert der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages. Das betreffe vor allem Änderungen der Straftatenkataloge der Telekommunikationsüberwachung, der Onlinedurchsuchung sowie bei der Erhebung von Verkehrsdaten. © hil/aerzteblatt.de

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