Politik
Spahn wirbt für „Herunterfahren über den Jahreswechsel“
Donnerstag, 10. Dezember 2020
Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat für zusätzliche Beschränkungen geworben, um die Coronainfektionen unter Kontrolle zu bringen. „Es braucht ein Herunterfahren insgesamt in der Gesellschaft für uns alle auch über den Jahreswechsel“, sagte der CDU-Politiker heute im Bundestag.
Nach dem Anfang November begonnenen Teillockdown sei zu sehen: „Mit dem, was im Moment ist, erreichen wir unser gemeinsames Ziel nicht.“ Für die meisten sei der Jahreswechsel ohnehin eine ruhigere Zeit, Schulen hätten geschlossen, so dass zusätzliche Einschränkungen möglich seien. Zugleich heiße dies aber eben nicht, „dass man bis dahin noch mal alles ausreizt“.
Spahn sprach von einer „schwierigen Phase“ in der Pandemie, in der gerade „das Schlechteste aus drei Welten“ zusammenkomme: Neben zu hohen Infektionszahlen gebe es Milliardenkosten für Wirtschaftshilfen und auch „eine Ermüdung bei vielen Bürgerinnen und Bürgern“ nach mehreren Wochen mit Beschränkungen.
In Regionen mit sehr hohem Infektionsgeschehen brauche es jetzt entschlossenes staatliches Handeln mit zusätzlichen Maßnahmen. Dazu komme insgesamt aber auch „bürgerliche Eigenverantwortung“ etwa bei Abstand, Maskentragen und Hygiene als Schlüssel zum Erfolg.
„Diese Erwartungshaltung, die Regierung, die Ministerpräsidenten, die müssten mal was beschließen und dann wird es von allein wieder besser, das wird nicht funktionieren.“ Spahn betonte, dass die allermeisten Menschen mitmachten. „Das Land steht patriotisch zusammen.“ Dafür gelte es, Zusammenhalt zu fördern und nicht zu diffamieren oder Verschwörungstheorien zu verbreiten.
Kein normaler Haushalt
Insgesamt sieht der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2021 in der durch den Haushaltsausschuss geänderten Fassung Ausgaben in Höhe von 498,62 Milliarden Euro vor. Im Jahr 2020 stehen einschließlich des Nachtragshaushaltes 508,53 Milliarden Euro zur Verfügung.
Der Einzelplan 15 (ab Seite 2.393) des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ist im Pandemiejahr für das Gesundheitswesen ein außergewöhnlicher Haushalt. Er wurde zuletzt noch einmal deutlich aufgestockt. In der durch den Haushaltsausschuss noch einmal geänderten Fassung sind nun für das kommende Jahr 2021 Ausgaben in Höhe von 35,3 Milliarden Euro vorgesehen (2020: 41,25 Milliarden Euro). Das sind elf Milliarden Euro mehr als noch im Entwurf der Bundesregierung geplant, aber 5,95 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr.
Grund für die weiter hohen Ausgaben im Gesundheitsetat ist die Pandemie. Zusätzliche 2,65 Milliarden Euro gehen als Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für Belastungen, die auf SARS-CoV-2 zurückgehen. 2,9 Milliarden Euro sind Zuschüsse zur Bekämpfung des Ausbruchs des Coronavirus – und 2,66 Milliarden Euro Zuschüsse sind zur zentralen Beschaffung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 vorgesehen. Dazu kommen zwei Milliarden Euro als Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser.
Von den Gesamtausgaben des Einzelplans 15 entfallen 14,5 Milliarden Euro wie im Vorjahr auf den Zuschuss an den Gesundheitsfonds zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Durch diesen Zuschuss sollen die Kassen bei der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen teilweise entlastet werden.
Zusätzlich hatte der Regierungsentwurf „Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für SARS-CoV-2-Pandemie verursachte Belastungen“ in Höhe von 7,65 Milliarden Euro (2020: 3,5 Milliarden Euro) und „Zuweisungen an die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds für das Zukunftsprogramm Krankenhäuser“, die es 2020 nicht gab, in Höhe von drei Milliarden Euro vorgesehen.
Für die Pflegevorsorge und sonstige soziale Sicherung sind dem Bundestag zufolge 84,91 Millionen Euro eingeplant (2020: 1,88 Milliarden Euro Euro). Die im Nachtragshaushalt vorgesehenen „Leistungen des Bundes an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung für SARS-CoV-2-Pandemie verursachte Belastungen“ in Höhe von 1,8 Milliarden Euro sollten laut dem Regierungsentwurf wegen „voraussichtlich geringerer pandemiebedingter Einnahmen- und Ausgabenwirkungen in 2021“ wegfallen.
In den Pflegevorsorgekosten sind 58,8 Millionen Euro (2020: 56,6 Millionen Euro) für die Förderung der freiwilligen privaten Pflegevorsorge und 10,15 Millionen Euro (2020: 9,9 Millionen Euro) für die bessere Versorgung Pflegebedürftiger enthalten.
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Diskussionen gab es im Bundestag heute erneut darum, dass die Bundesregierung zur Finanzierung im kommenden Jahr acht Milliarden Euro aus den Rücklagen der Krankenkassen entnehmen will. Auch würden die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung zusätzlich belastet. Steuermittel hätte die Opposition besser gefunden. Der Rückgriff auf die Rücklagen mancher Krankenkassen, vor allem aus dem AOK- und Ersatzkassenlager, beklagen die betroffenen Kassen seit Wochen.
Achim Kessler (Linke) rechnete vor, der GKV würden 2021 16 Milliarden Euro fehlen. Die Bundesregierung wolle aber nur fünf Millionen Euro einmalig aus Steuermitteln übernehmen. Den Rest sollten die Beitragszahler tragen – 3,6 Milliarden Euro durch eine Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes und acht Milliarden Euro durch die Rücklagenentnahme bei den Kassen.
Dadurch spürten die Bürger im kommenden Jahr noch nicht die Misswirtschaft der Bundesregierung. Rücklagen könne man aber nur einmal aufgebrauchen. 2022 sei eine Explosion der Zusatzbeiträge so sicher wie das Amen in der Kirche. Spahn habe eine Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht, ohne sich um eine nachhaltige Gegenfinanzierung zu kümmern.
Kessler nannte Zahlen der AOK, wonach sich die Ausgaben 2021 um neun, 2022 um zehn Milliarden Euro erhöhen würden. Dann fehle auch noch der Griff in die Rücklagen, so dass 2022 mit einer Finanzierungslücke von 18,3 Milliarden Euro zu rechnen sei. Das wäre eine Erhöhung der Beiträge um rund 1,2 Prozentpunkte.
Spahn verteidigt Griff in die Rücklagen
Bundesgesundheitsheitsminister Spahn verteidigte heute abermals den Griff in die Kassenrücklagen. „Rücklagen der Krankenkassen sind da für schlechte Zeiten“, sagte der Minister. Es habe zehn Jahre gute Zeiten gegeben. Deswegen hätten Rücklagen gebildet werden können. „Jetzt sind schlechte Zeiten und deshalb ist es richtig, auch Rücklagen einzusetzen“, so Spahn.
Streit gab es erneut um den Stellenplan des Robert-Koch-Instituts (RKI), der bereits seit einigen Tagen in der Diskussion ist. Die FDP warf der Regierung vor, nicht genügend Stellen genehmigt zu haben. Von 370 beantragten Stellen seien lediglich 30 genehmigt worden, hieß es von der FDP. Unter anderem setzt sich die Fraktion darin für eine ausreichende Stellenanzahl im IT-Bereich des RKI ein, damit dieses seine Aufgaben bei der Virusbekämpfung bestmöglich erfüllen kann.
Die SPD wies die Vorwürfe zurück und verteidigte die Regierung. Man habe die Stellen beim RKI verdoppelt, sagte Sonja Amalia Steffen, stellvertretende Sprecherin der SPD im Haushaltsausschuss. Wenn mehr Stellen notwendig seien, werde man helfen. Auch habe man vier Milliarden Euro für die Entwicklung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) in den kommenden Jahren in den Haushalt eingestellt.
Steffen betonte, die Regierung habe in den Haushalt auch fünf Millionen Euro wieder eingestellt, die für UNAids gedacht seien. Diese seien im ersten Entwurf vergessen worden.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, zeigte sich zufrieden. Mit dem Haushalt würden die Mittel für die Suchtprävention um vier Millionen Euro aufgestockt. Es sei eine großartige Nachricht, dass man im kommenden Bundeshaushalt über eine Million Euro mehr für die Alkoholprävention zur Verfügung haben. Außerdem können wir mit den Mitteln unsere sehr gut angelaufene Cannabisprävention fortsetzen und mehr für den Rauchausstieg tun. © dpa/may/EB/aerzteblatt.de

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