Vermischtes
Wissenschaftler sollten in Pandemie einheitliche Linie suchen
Mittwoch, 9. Dezember 2020
Bonn – Virologen sollten nach Ansicht der Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Katja Becker, häufiger mit einer Stimme sprechen. „Wenn Sie zehn Virologen eine Frage stellen, erhalten Sie unter Umständen mehrere verschiedene Antworten“, sagte Becker heute.
Das sei „auch verständlich“, denn die Antworten hingen vom fachlichen Erfahrungshorizont der Gefragten ab und repräsentierten die wichtige Vielstimmigkeit einer wissenschaftlichen Community. Wünschenswert wäre es aber gerade in der aktuellen Pandemiesituation, wenn die Wissenschaftler zunächst untereinander diskutieren und sich dann auf eine gemeinsame Linie verständigen würden.
„Das wird aktuell leider zu selten getan“, sagte Becker. „Stattdessen werden einzelne Stimmen gehört und von der Politik oder den Medien aufgegriffen. Hinterher müssen diese Stimmen dann oft mühsam wieder in Einklang gebracht werden, wenn es beispielsweise darum geht, politische Entscheidungen zu treffen.“ Für das große Publikum sei das bisweilen verwirrend und irritierend, außerdem koste es zu viel Zeit.
Oft komme in der Gesellschaft nur an, dass die Experten sich untereinander nicht einig seien. „In einer Krisensituation wie der aktuellen sollte Kooperation Vorrang haben vor Konkurrenz und der Suche nach Aufmerksamkeit.“
Allen Wissenschaftlern, die einen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie leisteten, gebühre Anerkennung. Raum für Verbesserung sieht Becker aber bei der Kommunikation. So sei festzustellen gewesen, dass Teile der Bevölkerung mit Unverständnis reagierten, wenn Forscher ihren Standpunkt veränderten.
„Dass es sich hier um einen kontinuierlichen und offenen Diskurs handelt, dass eine Sicht auf der Grundlage neuer Erkenntnisse weiterentwickelt oder nachjustiert werden muss, das ist nicht unbedingt geläufig“, sagte Becker. „An dieser Stelle müssen wir noch besser kommunizieren, wie wissenschaftliche Erkenntnisse zustande kommen. Hierin liegt auch eine große Chance – für die Wissenschaft und die Gesellschaft.“
Insgesamt sei die Wissenschaft als gesellschaftliche Orientierungshilfe durch Corona aufgewertet worden. „Ich glaube, dass die Wissenschaft noch nie so sehr in der Mitte der Gesellschaft stand und noch nie so effektiv als Kompass für politische Entscheidungen dienen konnte“, sagte Becker.
„Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, wissensbasiert zu agieren.“ Außerdem sei deutlich geworden, wie hilfreich ein kontinuierlich fortgeschriebener Speicher an Grundlagenforschung sei, um zeitnah auf Krisen reagieren zu können. © dpa/aerzteblatt.de

die falsche Ebene
Der Wunsch der Präsidentin der DFG ist verständlich : Reibungsverluste vermeiden.
Aber steuert sie da nicht die falsche Ebene an ? Ein wissenschaftlicher Streit (der sei vorausgesetzt, nicht etwa eine Neiddebatte) wird letztendlich durch die Fakten entschieden - und das braucht meist Zeit, Zeit, die in Krisensituationen nicht vorhanden ist.Das läuft auf das alte Problem hinaus : Entscheiden müssen aufgrund unvollständig verfügbarer Fakten.
Genau diese Aufgabe ist aber in einer Demokratie die Aufgabe der Politik, des politischen Apparates. Der ist ein gewaltiger nach Umfang und Kosten , gerechtfertigt eben durch jene komplizierte Entscheidungsnotwendigkeit. Dazu zählen vor allem die Fachministerien mit ihrem (hoffentlich) hochqualifizierten Personal - exakt jenen Personen, die in der Lage sein müssen, ein entscheidungsfähiges Resumee aus den unterschiedlichen wissenschaftlichen Aussagen zu treffen. Wenn dort Besetzungen eher nach politischem Proporz stattgefunden haben sollten - dann allerdings gibt es ein Problem. Womit aber nicht gesagt sein soll, daß das gegenwärtig der Fall ist. Eben darum sollte die Präsidentin nicht die falsche Ebene ansprechen.

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