Medizin
Chronisch subdurales Hämatom: Dexamethason verzögert Erholung nach Operation
Dienstag, 22. Dezember 2020
Cambridge/England – Eine Behandlung mit Dexamethason, die bei einem chronisch subduralen Hämatom nach der neurochirurgischen Entfernung der Blutung Rezidive verhindern soll, hat in einer randomisierten Studie die Erholung der Patienten verzögert, obwohl nach den im New England Journal of Medicine (2020: DOI: 10.1056/NEJMoa2020473) publizierten Ergebnissen die Zahl der Zweitoperationen gesenkt werden konnte.
Die kurzzeitige Gabe von Steroiden gehört seit den 1970er Jahren an vielen Kliniken zur Behandlung des chronisch subduralen Hämatoms, das vor allem bei älteren Patienten auftritt, die ASS oder Antikoagulantien einnehmen. Die Steroide sollen die venösen Blutgefäße „abdichten“, aus denen sich die Blutansammlung zwischen der Dura mater und der Arachnoidea speist. Oft, aber keineswegs immer liegt der Blutung ein Kopfsturz zugrunde.
Das Hämatom kann in der Regel leicht über eine Trepanation der Schädelkalotte entfernt werden. Die Neigung zu Rezidiven ist allerdings groß, und eine erneute Entleerung soll den häufig bereits gebrechlichen Patienten nach Möglichkeit erspart werden.
Die Wirksamkeit der Steroidbehandlung, die in der Regel mit Dexamethason durchgeführt wird, ist jedoch nicht erwiesen. Eine Metaanalyse attestierte der Behandlung zwar jüngst eine protektive Wirkung, warnte jedoch aufgrund der Schwächen der zugrunde liegenden Studien vor einer Fehleinschätzung (Acta Neurochirurgica, 2019; DOI: 10.1007/s00701-019-03881-w).
Vor diesem Hintergrund könnten die Ergebnisse der britischen Dex-CSDH-Studie („Dexamethasone in Chronic Subdural Haematoma“) für Klarheit sorgen. An der Studie beteiligten sich 23 neurochirurgische Kliniken, die 748 Patienten mit chronisch subduralem Hämatom, bei denen eine operative Behandlung geplant war, auf eine 14-tägige Behandlung mit Dexamethason oder Placebo randomisierten.
Die im Durchschnitt 74 Jahre alten Patienten, von denen etwa die Hälfte antithrombotische Medikamente einnahm, hatten zu 60 % einen modifizierten Rankin-Score (mRS) von 0 bis 3 Punkten (0 Punkte bedeutet keine Symptome, 3 Punkte eine mittelschwere Beeinträchtigung mit Erhalt der Gehfähigkeit). Der primäre Endpunkt der Studie und das Ziel der Behandlung war, den Anteil der Patienten mit einen mRS von 0 bis 3 zu erhöhen.
Dies gelang in der Dexamethason-Behandlung bei 286 von 341 Patienten (83,9 %) und damit seltener als in der Placebogruppe, wo 306 von 339 Patienten (90,3 %) nach 6 Monaten einen mRS von 0 bis 3 hatten. Die Differenz von 6,4 %punkten war nach den Berechnungen von Peter Hutchinson mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,4 bis 11,4 %punkten signifikant. Die Behandlung hatte damit ihr Ziel, die Erholung der Patienten zu beschleunigen, verfehlt.
Hinzu kommt, dass die Steroidbehandlung nicht ohne Nebenwirkungen blieb. Sie traten in der Dexamethasongruppe bei 10,9 % und in der Placebogruppe bei 3,2 % der Patienten auf. Die Odds Ratio von 3,40 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,81 bis 6,85 signifikant. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten 16,0 beziehungsweise 6,4 % der Patienten auf (Odds Ratio 2,49; 1,54 bis 4,15).
Dennoch kann die Behandlung nicht als vollständig gescheitert betrachtet werden. Ein weiteres Ziel, die Vermeidung von erneuten operativen Eingriffen wurde erreicht. Von den 349 Patienten, bei denen die vorgesehene Evakuierung durchgeführt worden war, benötigten nur 6 (1,7 %) eine zweite Operation. In der Placebogruppe wurde dies bei 25 von 350 Patienten (7,1 %) erforderlich.
Die Differenz von 5,4 %punkten war zwar mit einen 95-%-Konfidenzintervall von -2,5 bis 8,7 % nicht signifikant, ein Zufallsergebnis ist deshalb nicht auszuschließen. Der deutliche Unterschied könnte jedoch dazu führen, dass viele Patienten die Behandlung in Zukunft weiter als eine Option betrachten. © rme/aerzteblatt.de

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