Medizin
Down-Syndrom: Jede zweite Schwangerschaft vorzeitig beendet
Dienstag, 29. Dezember 2020
Boston – Die zunehmende Verbreitung der Pränataldiagnostik hat in Europa dazu geführt, dass 54 % aller Schwangerschaften mit Down-Syndrom vorzeitig beendet werden. Die Zahlen schwanken allerdings sehr stark zwischen den einzelnen Ländern, wie die Analyse im European Journal of Human Genetics (2020; DOI: 10.1038/s41431-020-00748-y) zeigt.
Die Pränataldiagnostik ermöglicht die Diagnose eines Down-Syndroms vor der Geburt. Lange war dies nur mittels Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie möglich. In den letzten Jahren wurden nichtinvasive Pränataltests eingeführt, die nur eine Blutentnahme erforderlich machen. Die neuen Tests könnten zu einem weiteren Rückgang der Lebendgeburten mit Down-Syndrom führen. Um die Auswirkungen beurteilen zu können, müsste der Status quo bekannt sein, was nicht überall der Fall ist.
Vor 5 Jahren konnte ein Team um Brian Skotko vom Massachusetts General Hospital in Boston Zahlen für die USA zusammentragen. Dort hat die invasive Pränataldiagnostik zu einen Rückgang der Lebendgeburten um 30 % geführt. Jetzt legt das Team – nach 3-jährigen Recherchen – erstmals einen europaweiten Überblick vor.
In Europa werden demnach jährlich durchschnittlich 8.031 Kinder mit Down-Syndrom geboren, was einer Prävalenz von 10,1 auf 10.000 Lebendgeburten entspricht. Ohne elektive Schwangerschaftsabbrüche würden jährlich 17.331 Kinder mit Down-Syndrom zur Welt kommen oder 21,7 auf 10.000 Lebendgeburten. Die Reduktion der Lebendgeburten beträgt 54 %.
Sie ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Malta, wo ein Schwangerschaftsabbruch strikt verboten ist, beträgt die Reduktion 0 %, in Irland sind es trotz Restriktionen 8 %. In Spanien mit einer sehr permissiven Gesetzgebung werden 83 % der Kinder mit Down-Syndrom nicht geboren. Generell werden in Südeuropa mehr Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen (71 %) als in Westeuropa (59 %), Nordeuropa (51 %) und in Osteuropa (38 %).
Die niedrige Rate in den früheren Ostblockländern hängt nach Einschätzung von Skotko weniger mit religiösen und ethischen Vorbehalten zusammen als mit der lange fehlenden Infrastruktur. In Westeuropa gibt es Unterschiede zwischen Ländern mit vergleichbarem Wohlstand. In Dänemark, wo die Pränataldiagnostik zur Regelversorgung gehört, beträgt die Reduktion 42 %, in den Niederlanden, wo die Frauen zunächst nach ihren Präferenzen gefragt werden, kommen nur 20 % weniger Kinder mit Down-Syndrom zur Welt, als ohne Pränataldiagnostik zu erwarten gewesen wäre. In Deutschland beträgt die Reduktion 26 %.
Die Gesamtzahl aller geborenen und ungeborenen Kinder mit Down-Syndrom war nach dem Krieg bis in den Baby-Boom der 1970er Jahre hinein gesunken, weil die Frauen früher Kinder bekommen haben. Seither ist es zu einem deutlichen Anstieg gekommen, weil viele Familien die Geburt des ersten Kindes hinausschieben.
Die Zahl der Menschen mit Down-Syndrom steigt, weil die Lebenserwartung dank der besseren medizinischen Versorgung deutlich gestiegen ist. Menschen mit Down-Syndrom erreichen heute vielfach über 50 und auch über 60 Jahre alt. © rme/aerzteblatt.de
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