Politik
Ethikratmitglied hält berufsbezogene Impfpflicht für vertretbar
Freitag, 8. Januar 2021
Heilbronn – Eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 lehnt die Bundesregierung strikt ab. Das gilt auch für eine Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Ein Mitglied des Deutschen Ethikrats hält letzteres aber für vertretbar.
Der Medizinethiker Wolfram Henn, Mitglied des Deutschen Ethikrats, sagte der Heilbronner Stimme, eine Impfpflicht könnte etwa Pflegeberufe betreffen. Bislang sei zu wenig für das Impfen geworben worden, fügte er hinzu.
Denkbar wäre aus seiner Sicht etwa, dass prominente Sympathieträger über 80 Jahren für die Impfung werben könnten. Eine kleine Gruppe von Menschen werde sich „leider trotz aller guten Gründe“ nicht von der Notwendigkeit der Impfung überzeugen lassen, beklagte der Wissenschaftler.
Entscheidungen wie die von Fluglinien, nur noch Passagiere mit Impfnachweisen oder negativen Coronatests zuzulassen, würden künftig Auswirkungen auf den Reiseverkehr haben. Auch habe etwa die finnische Ministerpräsidentin angekündigt, dass ihr Land keine ungeimpften Personen mehr einlassen werde, wenn alle Einreisewilligen die Möglichkeit für eine Impfung gehabt hätten. Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung anderer Länder oder ausländischer Unternehmen könne Deutschland nicht beeinflussen.
„Privatrechtlich wird es aber auch bei uns Spielräume geben“, betonte Henn. So könne etwa der Inhaber eines Fitnessstudios gute Gründe haben, um nur noch Kunden mit Impfnachweis einzulassen. Zugleich dürfe das Leben nicht generell beschnitten werden, mahnte der Experte.
„Auch diejenigen müssen weiterhin zum Bäcker gehen oder mit der Bahn fahren können, deren Impfung noch aussteht oder die sich unklugerweise nicht impfen lassen wollen.“ Es brauche eine Balance, bei der die Frage entscheidend sei: „Wie viele Geimpfte haben zwar ihre moralische Pflicht erfüllt, sind selbst geschützt, können aber dennoch das Virus noch weitertragen?“
Mit einer Bevorzugung geimpfter Personen sollte der Staat zurückhaltend sein, forderte Henn. Es brauche jedoch eine Debatte über unsolidarisches Verhalten: Wer etwa „an einer Demo gegen Maskenpflicht und Impfungen teilnimmt, der demonstriert zugleich auch für höhere Krankenkassenbeiträge für uns alle“.
Seinem Eindruck nach sei die Solidarität im Frühjahr noch stark ausgeprägt gewesen. „Leider ist uns dieser Schwung in den letzten Monaten etwas abhanden gekommen. Wir müssen ihn wiederfinden“. © kna/may/aerzteblatt.de

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