Medizin
VOC-202012/01: Biontech-Impfstoff im Labor weiter gegen mutiertes Virus wirksam
Freitag, 8. Januar 2021
Galveston/Texas – Das Serum von 20 Probanden, die beide Dosierungen des Biontech-Impfstoffs BNT162b2 erhalten haben, hat in Laboruntersuchungen auf eine Virusvariante mit der N501Y-Mutation reagiert, die auch auf den hochansteckenden SARS-CoV-2-Varianten VOC-202012/01 und 501.V2 vorhanden sind, die zuerst in England und Südafrika aufgetreten sind und sich derzeit global ausbreiten.
Die medizinische Relevanz der eiligst vom Hersteller beauftragten Experimente, die in bioRxiv (2021; DOI: 10.1101/2021.01.07.425740) vorveröffentlicht wurden, wird von Experten infrage gestellt, die jedoch nicht an der Wirksamkeit von BNT162b2 zweifeln.
Die rasche Ausbreitung von VOC-202012/01 in Europa und 501.V2 in Afrika hat zu der Sorge geführt, dass die aktuellen Impfstoffe nicht vor ihnen schützen. Experten stufen die Gefahr als gering ein, da die Impfstoffe BNT162b2 von Biontech/Pfizer und mRNA-1273 von Moderna das gesamte Spike-Gen enthalten.
Das nach der intramuskulären Injektion im Körper gebildete Spike-Protein bietet dem Immunsystem viele Angriffsflächen. Dies führt in der Regel zur Bildung einer ganzen Armada von Antikörpern, die das Virus nach einer Infektion gewissermaßen von verschiedenen Seiten angreifen.
Einzelne Mutationen sollten die Wirksamkeit des Impfstoffs in der Regel nicht infrage stellen, es sei denn, sie befinden sich an der Stelle, die die Rezeptorbindungsstelle kodieren. Antikörper gegen diese Region sind am ehesten in der Lage, das Eindringen der Viren in die Zellen zu verhindern. Ein wirksamer Impfstoff enthält in der Regel Antikörper gegen die Rezeptorbindungsstelle. Doch auch hier gibt es mehrere Epitope, so dass eine einzelne Mutation nicht die Wirksamkeit des Impfstoffes gefährden sollte.
Der Hersteller hat dennoch Forscher der University of Texas Medical Branch in Galveston mit Tests beauftragt. Das Team um Pei Yong Shi hat dazu die Punktmutation N501Y in die Sequenz des Spike-Gens im Virusstamm USA-WA1/2020 eingefügt, der im Frühjahr 2020 die Vorlage für den Impfstoff BNT162b2 lieferte.
Die Punktmutation N501Y befindet sich an der Rezeptorbindungsstelle des Virus und erhöht vermutlich seine Infektiosität. Sie ist eine von drei relevanten Veränderungen im Stamm VOC-202012/01 (auch B.1.1.7 genannt), der sich derzeit von England ausgehend weltweit ausbreitet. Auch der Stamm 501.V2, der in Südafrika entstanden ist, trägt die Mutation.
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Die Forscher haben jetzt im Labor untersucht, ob das von ihnen kreierte Virus von den Antikörpern der 20 Probanden neutralisiert wird. Dies wurde in einem Plaque-Reduktions-Assay an einer Zellkultur untersucht. Untersucht wurde, ob das Blutserum der Geimpften in der Lage ist, eine Zerstörung der Zellen durch das Virus zu verhindern.
Die Forscher führten den Test einmal mit dem normalen Virus und einmal mit dem an Position 501 mutierten Virus durch. Laut der Publikation ist es zu keinen Veränderungen im Test gekommen. Daraus schließt Pei, dass die Mutation die Immunogenität des Virus nicht verändert und der Impfstoff deshalb gegen die neue Variante wirksam ist.
Die in-vitro-Testergebnisse sind einerseits eine gute Nachricht, meinten die vom Science Media Center in London befragten Experten. Ein anderer Ausgang hätte weitreichende Konsequenzen gehabt. Einen lupenreinen Beweis, dass der Impfstoff wirksam ist, liefern die Ergebnisse jedoch nicht, meint Ravi Gupta von der Universität Cambridge, da das VOC-202012/01 ja noch weitere genetische Veränderungen aufweist. Im Prinzip müssten die Experimente mit dem VOC-202012/01 wiederholt werden.
Diesen Virusstamm von anderen zu isolieren und selektiv zu vermehren, dürfte jedoch nicht ganz einfach sein. Selbst wenn dies gelingen sollte und auch VOC-202012/01 vom Serum der Geimpften erkannt würde, wäre dies kein abschließender Beweis, da die Laborexperimente nicht immer die Verhältnisse im klinischen Alltag widerspiegeln.
Ein abschließendes Urteil wäre nur in einer klinischen Studie zu erreichen, die viel Zeit in Anspruch nähme – mit dem Risiko, dass das Virus sich in der Zwischenzeit weiter verändert. Ob die Mutation die Wirksamkeit verändert, wird sich erst in Zukunft in retrospektiven Studien zeigen. Die Experten rechnen derzeit nicht damit. © rme/aerzteblatt.de

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