Medizin
COVID-19: Hochdosierte Serumtherapie in Frühphase der Erkrankung effektiv
Freitag, 8. Januar 2021
Buenos Aires – Die Wirksamkeit der Serumtherapie, die seit dem Beginn der Pandemie zur Behandlung von COVID-19 in der Diskussion ist und vermutlich bereits bei Zehntausenden von Patienten durchgeführt wurde, konnte jetzt erstmals in einer randomisierten Studie im New England Journal of Medicine (2021; DOI: 10.1056/NEJMoa2033700) belegt werden. Entscheidend für den Erfolg könnte der frühzeitige Einsatz der Behandlung in den ersten Krankheitstagen sein.
Die vor mehr als 130 Jahren von Emil von Behring und Kitasato Shibasaburō vorgeschlagene Behandlung mit dem Serum von Rekonvaleszenten wird standardmäßig zur Behandlung des argentinischen hämorrhagischen Fiebers eingesetzt, einer vom Junin-Virus ausgelösten Zoonose, deren Reservoir, die Mausart Calomys musculinus, nur in Argentinien und Paraguay vorkommt.
Das Team um Fernando Polack von der Universität Buenos Aires konnte deshalb bei der Studie auf eine funktionierende Infrastruktur für die Serumtherapie zurückgreifen. Das Ziel war, die Behandlung älteren Menschen über 75 Jahre (oder ab 65 Jahren bei Vorerkrankungen) anzubieten, da diese das höchste Risiko auf einen schweren Verlauf haben.
Die Behandlung sollte möglichst frühzeitig (innerhalb von 72 Stunden nach Symptombeginn) durchgeführt werden, da dann die Erfolgschancen am höchsten sind. Die gespendeten Antikörper sollen die Zeit überbrücken, bis die eigene Immunabwehr einsetzt.
Die Studienteilnehmer wurden deshalb bei einem Hausbesuch vom medizinischen Personal getestet und bei einem positiven Ergebnis sofort in ein Behandlungszentrum gefahren. Dort erhielten sie dann die Plasmaspende, die zuvor auf ihre Eignung hin untersucht worden war. Bedingung war ein IgG-Titer von mindestens 1:1.000 gegen das S-Protein von SARS-CoV-2.
Den Ärzten gelang es im Sommer, insgesamt 160 Patienten für ihre Studie zu rekrutieren. Alle erhielten eine Plasmaspende (250 ml), die jedoch nur bei jedem zweiten von einem Rekonvaleszenten stammte. Die Patienten waren im Mittel 77,2 Jahre alt und 82 % hatten mindestens eine Vorerkrankung, die das Risiko auf einen schweren Verlauf von COVID-19 erhöht. Die Viruslast lag bei etwa 16 Zyklen der Polymerase-Kettenreaktion bis zum Erreichen des Schwellenwerts beim Gennachweis im Abstrich. Die Serumtherapie wurde im Durchschnitt 39,6 Stunden nach Einsetzen der Symptome durchgeführt.
Der primäre Endpunkt der Studie war eine schwere Atemwegserkrankung, definiert als eine Atemfrequenz von 30 Atemzügen pro Minute oder mehr und/oder eine Sauerstoffsättigung von weniger als 93 % (ohne Sauerstoffgabe). Er trat nach der Serumtherapie bei 13 von 80 Patienten (16 %) ein gegenüber 25 von 80 Patienten (31 %) in der Placebogruppe. Polack ermittelt ein relatives Risiko von 0,52, das mit einen 95-%-Konfidenzintervall von 0,29 bis 0,94 signifikant war. Die Serumtherapie hat demnach das Erkrankungsrisiko um 48 % gesenkt.
Die Wirksamkeit stieg auf 60 %, wenn 6 Patienten ausgeschlossen wurden, die bereits zum Zeitpunkt der Infusion eine schwere Atemwegserkrankung entwickelt hatten (relatives Risiko 0,40; 0,20 bis 0,81). Von den 36 Patienten, die 24 Stunden nach der Serumtherapie einen hohen Antikörper-Titer erreicht hatten, erlitten nur 3 (8 %) den primären Endpunkt, was bei einem relativen Risiko von 0,27 (0,08 bis 0,68) eine Reduktion des Erkrankungsrisikos um 73 % ergibt. Bei den Patienten, deren Titer durch die Behandlung weniger stark angestiegen war, betrug die Reduktion nur 31 % (relatives Risiko 0,69; 0,34 bis 1,31).
Nach der Serumtherapie entwickelten nur 4 Patienten (5 %) lebensgefährliche respiratorische Komplikationen gegenüber 10 Patienten (12 %) in der Placebogruppe. Insgesamt 2 Patienten starben trotz Serumtherapie an COVID-19 gegenüber 4 Patienten in der Placebogruppe. Das Signifikanzniveau wurde in diesen beiden sekundären Endpunkten aufgrund der geringen Fallzahl nicht erreicht.
Die Studie ist damit die erste von insgesamt 6 publizierten randomisierten Studien, in denen eine Wirkung der Serumtherapie belegt werden konnte. Den Grund vermutet Polack im früheren Behandlungsbeginn von weniger als 3 Tagen. In den früheren Studien, darunter eine aus Argentinien, waren die Patienten im Durchschnitt 8 bis 30 Tage nach Symptombeginn behandelt worden.
Die Serumtherapie kann sich nach Ansicht von Polack mit der Behandlung mit monoklonalen Antikörpern messen, die ebenfalls bei milden Erkrankungen die besseren Ergebnisse erzielt. Ein Vorteil der Serumtherapie sei, dass sie relativ kostengünstig durchgeführt werden kann, da keine teuren Präparate eingekauft werden müssten.
In Buenos Aires liegen die Kosten laut Polack bei umgerechnet 186,25 US-Dollar. Die Behandlung könnte deshalb vor allem für ärmere Länder interessant sein. Voraussetzung ist allerdings, dass sie über die notwendige Infrastruktur verfügen, was außerhalb Argentiniens derzeit nur in wenigen Ländern der Fall sein dürfte. © rme/aerzteblatt.de

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