Medizin
COVID-19: Neuer klinischer Score soll Krankheitsverlauf voraussagen können
Freitag, 15. Januar 2021
Berlin – Damit COVID-19-Patienten mit voraussichtlich mildem Verlauf früher aus dem Krankenhaus entlassen werden können, haben Wissenschaftler ein mathematisches Modell entwickelt. Es benötige ausschließlich Routinedaten und keine aufwendige Zusatzdiagnostik, heißt es in der Vorveröffentlichung der MedUni Wien (DOI: 10.1101/2020.12.20.20248563v1). Die Arbeit wurde noch keinem Peer-Review Verfahren unterzogen.
Das Modell könne anhand des Verlaufs von 3 Laborwerten – dem C-reaktiven Protein (CRP), dem Kreatinin und der Thrombozytenzahl im Blut – in Kombination mit dem Patientenalter und der Körpertemperatur am Aufnahmetag (über oder unter 38°C) „günstigere Krankheitsverläufe von hospitalisierten COVID-19-Patienten mit hoher Treffsicherheit prognostizieren“, schrieben die Autoren.
Potenzielle Variablen wurden auf der Grundlage von Literaturrecherchen und pathophysiologischen Überlegungen ausgewählt. Als Prädiktoren des klinischen Verlaufs wurden ausschließlich Laborwerte untersucht, die in Österreich wie auch Deutschland innerhalb der ersten vier Krankenhaustage als Routineinfektionsdiagnostik erfasst werden.
Dabei zeigte sich, dass „einige potenzielle Prädiktoren zwar zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht in relevantem Ausmaß verändert sind, sich aber während des Krankenhausaufenthaltes zwischen Überlebenden und Nicht-Überlebenden deutlich unterschiedlich entwickeln“, so die Autoren weiter. Die Verlaufskurven von CRP, Kreatinin und Thrombozytenzahl stellten sich dabei als beste Prädiktoren heraus.
Studien-Erstautor Stefan Heber vom Institut für Physiologie am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien konnte die Routinelabordaten von 363 COVID-19-Überlebenden und 78 mit COVID-19 verstorbenen Krankenhauspatienten aus 3 österreichischen Kliniken in seine Analyse einbeziehen. Ihre SARS-CoV-2-Infektionen waren zuvor per PCR-Test gesichert worden.
Das entwickelte mathematische Modell wurde anschließend anhand von 553 Datensätzen aus 2 Österreichischen und einem Schwedischen Krankenhaus validiert. Dabei erkannte das Modell schwere COVID-19-Fälle in Wien (c-Index 0,93 bei einem 95-%-Konfidenzintervall (KI) von 0,90 – 0,96) und Linz (c-Index 0,93 bei KI 0,88 – 0,98) besser, als in den Validierungskohorten in Schweden (c-Index 0,77 bei KI 0,67 – 0,88).
Den Autoren zufolge liege dies möglicherweise an „erheblichen Unterschieden in der Demographie der Patienten und der klinischen Routine“ der Krankenhäuser. Ob der Score außerhalb von Österreich anwendbar sei, bleibe daher abzuwarten, räumten sie ein.
Auch sei die Aussagekraft des Modells besser darin, milde Verläufe zu erkennen als schwere. Das Sterberisiko werde durch die Rechnung teilweise überschätzt. Eine hohe prognostizierte Sterbewahrscheinlichkeit gehe „mit erheblichen Unsicherheiten“ einher. Doch diese Einschränkung beeinträchtige die klinische Anwendbarkeit des Modells nicht, „da nur die niedrigsten Sterbewahrscheinlichkeiten zu Konsequenzen, also zur Entlassung, führen“, heißt es in dem Papier weiter.
Der Score funktioniere „unabhängig davon, wie lange die Symptome vor Aufnahme ins Spital schon angedauert haben“, sagte Heber. Ziel sei es, die Kliniken zu entlasten, „bis eine adäquate Durchimpfungsrate der Bevölkerung erreicht ist“, erklärte er.
„Obwohl unser Wissen über das Virus täglich zunimmt, gibt es bisher keine zuverlässigen Entscheidungshilfen für eine frühzeitigere Entlassung“, sagte die Leiterin der Forschungsgruppe, Alice Assinger, vom Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien. Damit das Modell nun im klinischen Alltag ausprobiert und unabhängig validiert werden kann, wurde ein frei zugänglicher Online-Rechner erstellt.
Das Projekt ist eine Kooperation der MedUni Wien, dem Sozialmedizinischen Zentrum Klinik Favoriten, der Medizinischen Universität Innsbruck, der Johannes Kepler Universität Linz und dem Karolinska Institut Stockholm. Es ist Teil der ACOVACT-Studie der Medizinischen Universität Wien und wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, dem Medizinisch-Wissenschaftlichen Fonds des Wiener Bürgermeisters (COVID024) und dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (P32064) finanziell unterstützt. © jff/aerzteblatt.de

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