Medizin
Sitagliptin: Diabetesmittel verhindert akute Graft-versus-Host-Reaktion nach Stammzelltransplantation
Donnerstag, 28. Januar 2021
Indianapolis – Das Diabetesmittel Sitagliptin, das auf der Zelloberfläche die Aktivität des Enzyms Dipeptidylpeptidase 4 (DPP 4) hemmt, könnte Leukämie-Patienten nach einer allogenen Stammzelltransplantation vor akuten Graft-versus-Host-Reaktionen schützen. Dies zeigen die Ergebnisse einer offenen Phase-2-Studie im New England Journal of Medicine (2021; DOI: 10.1056/NEJMoa2027372).
Sitagliptin wurde 2007 zur Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen. Das Medikament hemmt das Enzym DPP 4, das für den Abbau der Inkretine verantwortlich ist. Dies verlängert die Wirkung der Inkretine, die nach der Nahrungsaufnahme die Insulinsekretion steigern. DPP 4 ist auch auf der Oberfläche von Zellen vorhanden, wo es als CD26 bezeichnet wird.
Dass Sitagliptin das Auftreten einer akuten Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD) nach allogenen Stammzelltransplantationen verhindern kann, wurde zufällig entdeckt. Ein Team um Sherif Farag von der Universität von Indiana in Indianapolis hatte Sitagliptin eingesetzt, um den Abbau von Wachstumsfaktoren zu verhindern, mit denen nach einer Transplantation die Neubesiedlung des Knochenmarks beschleunigt werden soll. Dabei kam es überraschenderweise zu einem deutlichen Rückgang der GvHD-Reaktionen.
GvHD-Reaktionen sind eine häufige Komplikation nach allogenen Stammzelltransplantationen. Die transplantierten Stammzellen greifen dabei die für sie fremde Umgebung an, häufig mit tödlichem Ausgang. Auf welche Weise Sitagliptin diese Reaktion verhindert, ist nicht ganz klar. Es wird vermutet, dass CD26 auf der Oberfläche von T-Zellen für die Aktivierung der Immunabwehr benötigt wird. CD26-Antikörper sind als Mittel gegen GvHD-Reaktionen in der Diskussion. Eine ähnliche Wirkung könnte Sitagliptin erzielen, wenn es die Enzymwirkung von CD26 inhibiert.
Die US-Mediziner haben dies in den letzten Jahren an 36 Patienten im Alter von 20 bis 59 Jahren untersucht, bei denen zur Behandlung einer akuten myeloischen Leukämie oder verwandter Malignome eine allogene Stammzelltransplantation geplant war. Eine Standardbehandlung zur Prophylaxe von GvHD-Ereignissen besteht in der Gabe der Immunsupressiva Tacrolimus und Sirolimus, was aber eine GvHD nicht immer verhindern kann. Normalerweise erleiden zwischen 34 bis 51 % der Patienten innerhalb von 100 Tagen eine schwere akute GvHD vom Grad II bis IV.
In der offenen Studie wurden alle Patienten zusätzlich mit Sitagliptin behandelt. Die Behandlung begann einen Tag vor der Transplantation und wurde bis zum 14. Tag in einer Dosis von zweimal täglich 600 mg fortgesetzt. Primärer Endpunkt war das Auftreten einer akuten GvHD in den ersten 100 Tagen. Wie Farag und Mitarbeiter berichten, kam es nur bei 2 der 36 Patienten zu einer akuten GvHD, bei einem Patienten mit dem Schweregrad 2, bei dem anderen mit Schweregrad 4. Die Inzidenz war damit deutlich niedriger als erwartet.
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Negative Auswirkungen auf das Ergebnis der Stammzelltransplantation waren laut Farag nicht erkennbar. Alle Patienten waren nach einem Jahr noch am Leben. Die kumulative 1-Jahres-Inzidenz für Rezidive oder eine chronische GvHD betrug 26 % beziehungsweise 37 %. Das GvHD-freie, rezidivfreie Überleben betrug nach einem Jahr 46 %. Die Behandlung mit dem Diabetesmittel wurde gut vertragen, Hypoglykämien sind laut der Publikation nicht aufgetreten.
Die Behandlung mit Sitagliptin könnte eine kostengünstige Ergänzung in der Prophylaxe der akuten GvHD sein. Bevor die Behandlung empfohlen werden kann, müssten die Ergebnisse jedoch durch eine randomisierte Studie bestätigt werden, schreibt der Hämatologe. © rme/aerzteblatt.de
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