Politik
Patientenberatung: Gutachten analysiert vier unabhängige Organisationsformen
Mittwoch, 13. Januar 2021
Berlin – Modifiziertes Ausschreibungsmodell, Ausbaumodell, Zuwendungsmodell und Stiftungsmodell. Diese vier Varianten hat ein Rechtsgutachten im Auftrag der Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU), für eine mögliche Neuausrichtung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) untersucht.
Die bisher unter Verschluss gehaltene Expertise liegt nun dem Deutschen Ärzteblatt vor. Die Gutachter lehnen darin alle Modelle nicht explizit ab und sprechen keine direkten Empfehlung aus. Zwischen den Zeilen kristallisiert sich aber ein Favorit heraus.
Man habe sich auf vier „idealtypische Organisationsformen“ einer unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung fokussiert, die „unter dem Gesichtspunkt ihrer Bedeutung im öffentlichen und informellen Reformdiskurs ausgewählt“ worden seien, schreiben die Rechtsprofessoren Ulrich M. Gassner und Ferdinand Wollenschläger.
Ausschreibungsmodell
Ein modifiziertes Ausschreibungsmodell könnte aus Sicht der Juristen sein, kommerzielle und gewinnorientierte oder nicht gemeinnütziger Anbieter von der Ausschreibung auszuschließen. Der Vorteil läge in der „präventiven Immunisierung des Beratungsangebots vor der Einflussnahme durch Anbieter gesundheitsbezogener Waren und Dienstleistungen“.
Es gebe aber „nicht unerhebliche rechtliche Risiken“, wenn mann diese Anbieter vom Vergabeverfahren generell ausschließe. Zudem würde ein modifiziertes Ausschreibungsmodell das Problem fehlender Kontinuität nicht lösen, heißt es weiter.
Ausbaumodell
Unter einem Ausbaumodell verstehen die Gutachter eine Anbindung der UPD an bestehende Strukturen wie etwa an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und an die Patientenbeauftragte der Bundesregierung.
Gegen eine Integration in das IQWiG könnte demnach sprechen, dass es dem Bund möglicherweise an einer entsprechenden Gesetzeskompetenz fehlt und eine effektive Repräsentation von Patienten- und Verbraucherinteressen nur beschränkt zu gewährleisten ist, scheiben die Gutachter in ihrer zusammenfassenden Bewertung. Auf der anderen Seite sei eine kontinuierliche Finanzierung entsprechend der bestehenden Regelung ohne weiteres darstellbar.
Die dauerhafte Etablierung einer gesundheitsbezogenen Verbraucher- und Patientenberatung bei der BZgA oder bei dem Patientenbeauftragten könnte „an einen vorhandenen Neutralitätsnimbus anknüpfen und dürfte daher auch unter Akzeptanzgesichtspunkten tragfähig sein“. Objektiv wäre es aber aufgrund der organisatorischen Zuordnung zum BMG wohl nur beschränkt möglich, „zivilgesellschaftliche Ingerenzschienen zu institutionalisieren“.
Zuwendungsmodell
Zum Zuwendungsmodell schreiben die Gutachter, dass ein am Vorbild der EUTB (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung e.V.) orientiertes Modell gut geeignet wäre , um eine persönliche wohnortnahe Beratung zu gewährleisten.
Bei der gesundheitsbezogenen Verbraucher- und Patientenberatung dominiere aber „eindeutig der telefonische Beratungsweg“. Auch erschwere es das Zuwendungsmodell, wissenschaftliche und gesellschaftliche Expertise zu institutionalisieren und das daraus „idealerweise resultierende Optimierungspotenzial zu nutzen“.
Stiftungsmodelle
Stiftungen der öffentlichen Hand werden den Gutachtern zufolge wegen ihrer Staatsferne im Allgemeinen ein hoher Neutralitätsnimbus zugesprochen. In einem gesundheitsassoziierten Beratungskontext, der in besonderer Weise auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit basiere, sei dieser Umstand „gut geeignet“, um eine „hohe Akzeptanz der Ratsuchenden zu gewährleisten“.
Unter Betrachtung auch kritisch zu sehender demokratisch-legitimatorischer Aspekte erscheine die Organisationsform der Stiftung grundsätzlich „besonders dafür geeignet, innovativen Input durch wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Partizipationsstrukturen zu gewährleisten“. Dies gilt aus Sicht der Gutachter für zwei infrage kommenden Stiftungstypen. Eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Stiftung.
Allerdings könne der Gesetzgeber bei der Stiftung des öffentlichen Rechts ohne weiteres die im Gründungsakt zunächst eingeräumte Autonomie wieder zurückschneiden, den Stiftungszweck ändern oder sogar die Stiftung aufheben, geben die Gutachter zu bedenken.
Die Wahl der Rechtsform einer privatrechtlichen Stiftung durch die öffentliche Hand unterläge jedoch besonderen rechtlichen Hürden. Sie werde teilweise – insbesondere in Gestalt der Einkommensstiftung ohne rechtlich garantierte periodische Zuschüsse – sehr kritisch gesehen, sei aber in der Anerkennungspraxis der Länder toleriert, heißt es.
Für die Errichtung einer Stiftung des bürgerlichen Rechts führen die Gutachter an, dass die Aufgabe einer unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung eine hohe Staatsferne erfordert, die – gerade aus Sicht der ratsuchenden Personen – am besten durch die stiftungstypische Autonomie gewährleistet werden könnte. Daneben biete die Stiftung bürgerlichen Rechts eine größere Garantie für Dauerhaftigkeit und Unabhängigkeit von wechselnden politischen Mehrheiten.
Im Übrigen sei der Korridor an Ausgestaltungsoptionen beim privatrechtlichen Stiftungstyp nach wohl überwiegender Auffassung auf die Vermögensstiftung oder die nur einer staatlichen Anschubfinanzierung bedürftige Einkommensstiftung verengt.
Eine Realisierung einer Stiftung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sehen die Gutachter eher skeptisch. Diese Variante unterliege besonderen rechtlichen Risiken, was auch unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit eher für eine selbstständige Neuerrichtung der UPD im Rahmen einer Stiftung spräche.
Finanzierung
Hinsichtlich der Finanzierung der Stiftung ist aus Sicht der Gutachter die parlamentarische Budgethoheit zu beachten. Auch wenn der Stiftung ein ausreichendes Vermögen zur Verfügung gestellt werde, bleibe sie grundsätzlich von periodischen Haushaltszuwendungen abhängig, heißt es. Dies könne „unter Kontinuitätsgesichtspunkten nachteilig sein“.
In personeller Hinsicht blieben Stellenetatisierungen bei Stiftungen des öffentlichen Rechts stets eine Option des Haushaltsgesetzgebers. Unabhängig davon könnten – freilich ohne weiteres revidierbare – Leistungsgesetze eine gewisse Planungssicherheit für Stiftungen gewährleisten.
Das Gutachten soll eine Grundlage für die Entscheidung bilden, ob und in welcher Weise die UPD reformiert werden wird soll. Darüber wollen die Patientenbeauftragte, das Bundesgesundheitsministerium sowie die beiden Regierungsfraktionen Union und SPD heute sprechen.
Das bisherige Ausschreibungsmodell könnte nach Vorstellung der SPD und auch aus Kreisen der Union durch eine alternative Lösung – Favorit ist eine Stiftung – ersetzt werden. Grüne und Linke sehen das ebenso wie der Wissenschaftliche Beirat und Patientengruppen als gute Möglichkeit, um die UPD für die Zukunft aufzustellen. © may/aerzteblatt.de

Bei der gesundheitsbezogenen Verbraucher- und Patientenberatung dominiere aber „eindeutig der telefonische Beratungsweg“.
Peter Friemelt, Gesundheitsladen München e.V.

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