Politik
Interprofessionelle Ausbildung muss Eingang in den Alltag finden
Mittwoch, 20. Januar 2021
Berlin – Die Gesundheitsversorgung und die Ausbildung in den Gesundheitsberufen müssen zusammen gedacht und vor allem auch interprofessionell umgesetzt werden. Darin waren sich heute die Experten beim virtuellen Kongress des Bundesverbandes Managed Care (BMC) einig. Das Wissen über den Benefit der interprofessionellen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen sei zwar vorhanden, an der Umsetzung hapere es jedoch noch, bemängelten sie.
Dabei sei seit einigen Jahren in einer Vielzahl von Ländern das Bewusstsein für interprofessionelle Ausbildungsmodelle als Lösungsansätze für gesundheitspolitische Problematiken gewachsen, erklärte Heidi Höppner, Hochschullehrerin an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Viele Modelle gingen allerdings davon aus, dass die Akteure bereits interprofessionell zusammenarbeiten könnten.
„Doch das erfordert jedoch Arbeit“, sagte Höppner, die vor ihrem Studium der Gesundheitswissenschaft 20 Jahre lang als Medizinische Fachangestellte und Physiotherapeutin gearbeitet hatte. „Wir brauchen jetzt eine politische Weichenstellung für mehr Kooperation“, forderte sie. Die interprofessionelle Ausbildung stelle mittlerweile kein „nice to have“ mehr dar, sondern ein „must have“.
Dies bestätigte auch Mattis Manke, Bundeskoordinator für Medizinische Ausbildung der Bundesvereinigung der Medizinstudierenden (bvmd). Der Medizinstudent im 7. Semester in Gießen berichtete von positiven Erfahrungen von Medizinstudierenden auf interprofessionellen Ausbildungsstationen (IPSTAs).
Dort übernehmen Studierende und Auszubildende verschiedener Gesundheitsfachberufe eigenständig die Patientenbetreuung und das Stationsmanagement in einem interprofessionellen Team unter Supervision von examinierten Lernbegleitenden der beteiligten Berufsgruppen.
Durch die stetige Kommunikation, die gemeinsame Arbeit sowie eine gezielte Aufgabenteilung steige das gegenseitige Verständnis füreinander, so Manke. „Es wird ein großer Lerneffekt erzielt und gleichzeitig ein Beitrag zur Versorgung geleistet“, betonte er. Die Übernahme von Verantwortung durch eigenverantwortliche Patientenbetreuung mit Unterstützung durch erfahrene Ärzte biete einen enormen Mehrwert für alle Medizinstudierenden, so Manke.
Der Medizinstudent ist überzeugt, dass durch IPSTAs die Ausbildungsqualität enorm verbessert und den Bedürfnissen der modernen Medizin angepasst wird. Langfristig lasse sich auch eine Verbesserung der Versorgungsqualität insgesamt erreichen. „Bisher werden die Kompetenzen, die Studierende durch eine Rotation auf einer IPSTA erwerben können, im Praktischen Jahr (PJ) nur rudimentär vermittelt“, erläuterte er.
Oftmals würden PJ-Studierende nicht adäquat auf ihr bevorstehendes Berufsleben vorbereitet, sondern erledigten vielmehr kleine, isolierte Tätigkeiten, wie Anamnesen, Blutabnahmen oder das Legen von venösen Zugängen. In den effizienteren Behandlungsabläufen auf den IPSTAs stecke zudem Chance, die Fehlerrate zu senken und die Patientensicherheit zu erhöhen. Eine angenehmere Arbeitsatmosphäre im Team könne zudem die mentale Gesundheit stärken.
Derzeit gibt es mit Unterstützung durch die Robert-Bosch-Stiftung 13 interprofessionelle Ausbildungsstationen in Deutschland. Im April 2017 war mit der HIPSTA (Heidelberger Interprofessionelle Ausbildungsstation) in Heidelberg die erste interprofessionelle Ausbildungsstation im deutschen Sprachgebiet etabliert worden.
„Unser Ziel ist, bis zum Jahr 2030 allen PJ-Studierenden in Deutschland eine IPSTA-Rotation zu ermöglichen“, sagte Manke. Dazu habe die bvmd ein interprofessionelles Projekt aus Studierenden der Humanmedizin sowie des Gesundheitsmanagements gebildet, die den Ausbau und die Vernetzung Interprofessioneller Ausbildungsstationen vorantreibe.
Ein internationales Vorreiterbeispiel stellt die Schweiz dar. Hier gibt mittlerweile 65 Projekte zur interdisziplinären Ausbildung, verteilt auf alle Kantone. „wenn der Patient im Mittelpunkt der Versorgung stehen soll, führt kein Weg an einer interdisziplinären Ausbildung und Versorgung vorbei“, sagte Gert Ulrich, Projektleiter einer Züricher Interprofessionellen Ausbildungsstation der Careum-Stiftung, heute beim BMC-Kongress.
Ziel in der Schweiz sei es jetzt, ein nationales Netzwerk aufzubauen, da auch die Etablierung interprofessioneller Forschergruppen und die Vernetzung der Lehrenden auf diesem Gebiet unverzichtbar sei. © ER/aerzteblatt.de

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