NewsÄrzteschaftCoronaimpfung könnte für stillende Frauen in manchen Fällen indiziert sein
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Ärzteschaft

Coronaimpfung könnte für stillende Frauen in manchen Fällen indiziert sein

Mittwoch, 20. Januar 2021

/malajscy, stock.adobe.com

Berlin – Bei stillenden Müttern mit einem erhöhten Risiko auf COVID-19 überwiegt der potenzielle Nut­zen theoretischen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Impfung. Dieses Fazit haben gestern zwei Fachgesellschaften und die Nationale Stillkommission (NSK) gezogen.

Vor allem bei persönlichen, durch Komorbiditäten oder Exposition bedingten Risiken für einen schweren COVID-19-Verlauf wie etwa vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Lungenerkrankun­gen, Au­­toimmunerkrankungen und ein geschwächtes Immunsystem sowie Diabetes, Hypertonie und Adi­posi­tas überwiege der potenzielle Nutzen der Impfung die theoretischen Bedenken hinsichtlich der Si­cher­heit der Impfung deutlich, schreiben die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM), die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und die NSK.

Betroffene sollten in einem Beratungs- und Aufklärungsgespräch über die (potenziellen) Vorteile einer Impfung für Mutter und Säugling informiert und eine partizipative Entscheidungsfindung ermöglicht werden, heißt es weiter.

Der Entwicklungs- und Gesundheitsnutzen des Stillens sollte dabei zusammen mit dem klinischen Be­darf der Frau an einer Immunisierung gegen COVID-19 – in Abhängigkeit von Risikofaktoren für eine SARS-CoV-2-Infektion/schwere COVID-19 – berücksichtigt werden, und über das Fehlen von Sicherheits­daten für den Impfstoff bei stillenden Frauen solle informiert werden.

Bei erhöhtem Sicherheitsbedürfnis der Stillenden kann der Empfehlung zufolge eine individuelle Festle­gung eines stillfreien Zeitraums von ein bis drei Tagen nach der Impfung in Erwägung gezogen werden. Internationale Empfehlungen sähen jedoch keine Notwendigkeit für die Verzögerung eines Stillbeginns, einer Stillunterbrechung oder des Abstillens nach Impfung.

In ihrer Empfehlung gehen die beiden Fachgesellschaften und die NSK davon aus, dass der Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion für die stillende Frau mit dem gleichen hohen Wirkungsgrad der Impfung anzunehmen ist, wie dies in den bisherigen Studien für nicht stillende Frauen habe gezeigt werden können. Das gelte auch wenn detaillierte Angaben dazu fehlten, erklären sie.

DGPM, DGGG und Stillkommission führen in ihren Empfehlungen weiter aus, dass nach bisherigem Kenntnisstand mit der Verabreichung von Nichtlebendimpfstoffen während der Still­zeit kein erhöhtes Risiko für die Stillende oder den Säugling verbunden sei. Zur Anwendung von mRNA-Impfstoffen in der Stillzeit, wie den Einfluss auf den gestillten Säugling oder die Muttermilchproduk­tion/-sekretion, lägen jedoch derzeit keine Daten vor.

Daher werde eine grundsätzliche Routineimpfung aller Stillenden derzeit auch auf Basis der aktuell limitierten Impfstoffressourcen mehrheitlich von den Fachgesellschaften nicht empfohlen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass eine Impfung der Mutter während der Stillzeit ein Risiko für den Säugling darstelle, heißt es in einer Mitteilung.

Auch die Society for Maternal Fetal Medicine (SMFM) sähe keinen Grund zu der Annahme, dass der Impf­stoff ein Sicherheitsrisiko in der Stillperiode für Mutter und/oder Säugling darstelle. Ein biologisch nach­vollziehbarer Mechanismus, der Schaden verursachen könne, sei derzeit nicht bekannt, erklären DGPM, DGGG und NKS. Zum jetzigen Zeitpunkt lägen jedoch keine aussagekräftigen Studien zum Übertritt von Impfbestandteilen in die Muttermilch vor.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) wollte die Empfehlungen auf Anfrage nicht kommentieren. Das Institut verwiese auf den bestehenden Coronasteckbrief. Demnach haben den Aspekt der Übertragung von der (erkrankten) Mutter auf ihr Kind (vor und während der Geburt sowie über die Muttermilch) nur wenige Studien untersucht.

Bislang seien „nur einzelne Erkrankungsfälle als mögliche und einmal als bestätigte Folge einer Infek­ti­on im Mutterleib beschrieben“ worden, heißt es. Eine Studie aus Texas habe eine Infektionsrate bei Neu­geborenen SARS-CoV-2-positiver Mütter von drei Prozent beobachtet. Meist hätten sich bei Kindern SARS-CoV-2-positiver Mütter nach der Geburt keine Krankheitszeichen gezeigt,

„In Muttermilch gelang in einigen Fällen der Nachweis von Virus RNA. Eine erfolgreiche Virusanzucht aus Muttermilch ist bislang nicht beschrieben, daher ist nicht abschließend geklärt, ob SARS-CoV-2 durch Muttermilch übertragbar ist“, schreibt das RKI. Übereinstimmend mit der WHO sprächen sich auch die deutschen Fachgesellschaften für das Stillen unter Einhaltung adäquater Hygienemaßnahmen aus.

Für Schwangere ist eine Impfung gegen SARS-CoV-2 derzeit in Deutschland nicht empfohlen. Grund sind fehlende Studiendaten zur Impfung von Schwangeren. In Israel haben Gynäkologen dazu nun eine De­batte angestoßen. Der Verband israelischer Frauenärzte gab eine Empfehlung zur Impfung schwangerer und stillender Frauen gegen das Coronavirus ab.

Zuletzt hatte es in Israel eine Reihe schwerer COVID-19-Erkrankungen bei Schwangeren gegeben. Der Coronabeauftragte Nachman Asch sagte dem Armeesender, man prüfe noch, ob es sich um einen neuen Trend oder Einzelfälle handele. Israel hat die höchste Geburtenrate der westlichen Welt – mit durch­schnittlich drei Kindern pro Frau.

Der israelische Gynäkologenverband schrieb gestern: „Die COVID-19-Erkrankung kann während der Schwangerschaft Schaden anrichten, bei Schwangeren einen schwereren Krankheitsverlauf auslösen und Frühgeburten verursachen – deshalb ist es wichtig, sich impfen zu lassen.“ Man empfehle eine Impfung aller Schwangeren, die dies wünschten, „besonders wenn sie gefährdet sind, mit dem Virus in Kontakt zu kommen oder Vorerkankungen haben, die das Risiko für einen schweren Verlauf erhöhen“.

Auch Gili Regev-Jochai, Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten im Schiba-Krankenhaus bei Tel Aviv, sprach eine solche Empfehlung aus. Es sei „ganz klar, dass man sich impfen lassen sollte“, vor oder während der Schwangerschaft. Der Coronaimpfstoff sei nicht gefährlicher „als andere Impfstoffe, die wir bereits während der Schwangerschaft geben, zum Beispiel die Grippeimpfung oder die Impfung gegen Keuchhusten“. © may/dpa/aerzteblatt.de

Themen:

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
LNS
LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER