Ausland
Neuer US-Präsident legt nationale Strategie im Kampf gegen Pandemie vor
Freitag, 22. Januar 2021
Washington – Der neue US-Präsident Joe Biden hat gestern eine nationale Strategie im Kampf gegen das SARS-CoV-2 für die USA in die Wege geleitet. Er legte im Weißen Haus einen rund 200 Seiten langen Aktionsplan vor und unterzeichnete dazu einen Tag nach seinem Amtsantritt die ersten zehn Direktiven, die eine Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie enthalten, unter anderem Vorgaben zu Einreisen aus dem Ausland.
Demnach müssen Reisende in die USA künftig nach ihrer Ankunft Tests nachweisen und sich in Quarantäne begeben. „Jeder, der aus einem anderen Land in die USA fliegt, wird sich testen lassen müssen, bevor er das Flugzeug besteigt, (...) und sich in Quarantäne begeben müssen, wenn er in den USA ankommt“, sagte Biden.
In einem von dem Präsidenten unterzeichneten Dekret heißt es, von Reisenden aus dem Ausland solle verlangt werden, die Richtlinien der US-Gesundheitsbehörde CDC zu internationalen Reisen einzuhalten, einschließlich zu „Selbstquarantäne oder Selbstisolierung“.
Die CDC hatte bereits vergangene Woche angekündigt, dass vor Flugreisen in die USA künftig ein negativer Coronatest verlangt wird. Die Maßnahme tritt demnach am 26. Januar in Kraft. Zugleich empfahl die Behörde, in den sieben Tagen nach Einreise zu Hause zu bleiben – es handelte sich aber lediglich um eine Empfehlung.
Teil der Strategie Bidens ist es auch, die schleppende Impfkampagne zu beschleunigen, mehr Menschen testen zu lassen, mehr Personal im öffentlichen Gesundheitswesen einzustellen und die Produktion von medizinischem Material zu steigern. Das Tragen von Schutzmasken wird bei Reisen zwischen Bundesstaaten in Zügen, Flugzeugen und Bussen Pflicht.
Weitere Verordnungen zielen auf die Ausweitung der Testkapazitäten, die Unterstützung von Studien zu Behandlungsmöglichkeiten von COVID-19, die sichere Wiedereröffnung der Schulen und den Schutz von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz ab. Die Regierung versprach zudem, ehrlich mit dem Stand der Dinge in der Pandemie umzugehen.
Biden prangerte gestern Versäumnisse der Regierung seines Vorgängers Donald Trump an. „Im vergangenen Jahr konnten wir uns nicht auf die Regierung verlassen, um mit der notwendigen Dringlichkeit, Konzentration und Koordinierung zu handeln“, sagte der Präsident. „Und wir haben die tragischen Kosten dieses Scheiterns gesehen.“
Die Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses, Kate Bedingfield, fällte beim Nachrichtensender CNN ein vernichtendes Urteil über den Impfplan der Vorgängerregierung von Donald Trump. „Das war ein kläglicher Misserfolg“, sagte Bedingfield. Sie versicherte, dass Biden einen Fokus auf die Impfkampagne legen werde.
Biden verwies auf die inzwischen mehr als 408.000 Coronatoten in den USA, die mit Abstand höchste Zahl weltweit. Die USA seien nicht „über Nacht“ in diese Situation geraten. „Und es wird Monate dauern, bis wir die Kurve kriegen.“ Er stimmte die Amerikaner auf eine weitere Verschlimmerung der Coronalage im Land ein. Wahrscheinlich werde die Zahl der Coronatoten im Februar eine halbe Million erreichen, sagte Biden. „Die Dinge werden sich weiter verschlechtern, bevor es besser wird“, mahnte er und versprach zugleich: „Wir werden das durchstehen.“
Biden hat gestern auch das Ziel ausgerufen, in den ersten 100 Tagen im Amt 100 Millionen Impfdosen spritzen zu lassen. Zur Finanzierung der Maßnahmen strebt der Präsident ein neues Coronahilfspaket mit einem Umfang von 1,9 Billionen Dollar (knapp 1,6 Billionen Euro) an. Der Kongress muss ihm die Gelder aber noch bewilligen.
Die Eindämmung der Coronapandemie ist eines der Hauptanliegen des neuen Präsidenten. Die Ausbreitung des Virus ist in den USA weiterhin außer Kontrolle. Es sei das Thema, mit dem er jeden Tag aufwache und das Thema, mit dem er jeden Abend ins Bett gehe, hatte die neue Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, gesagt, nachdem Biden bereits eine Maskenpflicht unter anderem in Regierungsgebäuden und Flugzeugen angeordnet hatte.
Fauci erfreut über Rückkehr zu Fakten
Der renommierte US-Immunologe Anthony Fauci zeigte sich gestern erleichtert, dass er nach der Abwahl von Präsident Donald Trump im Weißen Haus wieder die Fakten für sich sprechen lassen darf. „Wir lassen die Wissenschaft sprechen“, sagte Fauci gestern vor Journalisten in der Regierungszentrale in Washington. „Das ist irgendwie ein befreiendes Gefühl“, sagte der Immunologe, der nun den neuen Präsidenten, den Demokraten Joe Biden, berät.
Bei Trump habe es Momente gegeben, in denen Dinge kommuniziert wurden, die nicht auf wissenschaftlichen Fakten basierten, erklärte Fauci. Als ein Beispiel nannte er Trumps anhaltendes Werben für das Malariamittel Hydroxychloroquin als Coronamedikament, obwohl dessen Wirksamkeit nicht belegt war.
„Das war wirklich unangenehm, weil dies nicht auf wissenschaftlichen Fakten beruhte“, sagte Fauci. Bei einer anderen Gelegenheit hatte Trump das Spritzen von Desinfektionsmittel als mögliche Heilmethode ins Spiel gebracht.
Bei Trump habe er nicht das Gefühl gehabt, dass er ihm ohne negative Folgen widersprechen konnte, schilderte Fauci. Das werde bei Biden anders sein, wie der Präsident ihm erst vor wenigen Minuten nochmals in einem Gespräch zugesichert habe, sagte der Immunologe. Künftig würden Handeln und Kommunikation stets transparent sein und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, versprach Fauci.
Der 80-jährige Fauci ist Leiter des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten (NIAID) und gilt als integrer Experte. Weil Fauci sich auch nicht scheute, Trump zu widersprechen, wurde er über längere Zeit nicht mehr ins Weiße Haus eingeladen, um dort öffentlich über den Stand der Pandemie zu sprechen. Nach der Frage eines Journalisten, ob er nun nach Monaten in der Verbannung wieder zurück sei, lachte Fauci und sagte: „Ich denke schon.“
Fauci hatte gestern bereits bei einer Sitzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gesprochen, um die von Biden veranlasste Rückkehr der USA zur Zusammenarbeit mit der in Genf ansässigen Institution zu erörtern.
Fast 4.000 Coronatote binnen 24 Stunden
In den USA sind gestern fast 4.000 Menschen binnen eines Tages im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Mit 3.955 Toten lag die Zahl aber unter dem bisherigen Höchstwert von 4.462, der am 12. Januar verzeichnet worden war, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universität (JHU) in Baltimore von heute Morgen (MEZ) hervorging.
Die Anzahl der registrierten Neuinfektionen erreichte demnach gestern 188.952. Der bisherige Tagesrekord wurde am 2. Januar mit 298.031 neuen Fällen registriert. In dem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern haben sich bislang rund 24,6 Millionen Menschen mit dem Erreger SARS-CoV-2 infiziert. © afp/dpa/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema

