Politik
Kontroverse Debatte über Legalisierung von Eizellspenden
Donnerstag, 28. Januar 2021
Berlin – Ob Eizellspenden in Deutschland legalisiert werden sollten, bleibt unter Experten umstritten. Das zeigte eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages von gestern, die heute der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Anlass für die Anhörung war ein Gesetzentwurf der FDP-Fraktion, der die Legalisierung von Eizellspenden in Deutschland vorsieht.
Derzeit sind Eizellspenden in Deutschland – anders als Samenspenden – durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Dies führe dazu, dass Paare Eizellspenden in anderen Ländern, wo dies erlaubt sei, in Anspruch nähmen, teilweise zu horrenden Preisen und unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken, begründet die FDP ihren Entwurf. Für die so gezeugten Kinder könne dann das in Deutschland bestehende Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht durchgesetzt werden.
Der Theologe Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied im Deutschen Ethikrat, sieht jedoch die legislative Ungleichbehandlung von Eizellspende und Samenspende als gerechtfertigt an. Während die Gewinnung der Samenspende für den Spender mit keinen nennenswerten Risiken verbunden sei, erfordere die Gewinnung der Eizellspende neben der hormonellen Stimulation einen invasiven Eingriff und setze damit die potentielle Spenderin einem Risiko aus.
Zudem wies Lob-Hüdepohl auf die Gefahr einer „prekären Selbstbestimmung“ hin. Diese liege vor, wenn eine Frau zwar formal eine selbstbestimmte Entscheidung für eine Eizellspende trifft, sie sich aber materiell zu dieser Entscheidung durch die eigene Lebenslage oder wegen der Erwartungshaltung Dritter gedrängt sieht. Eine Legalisierung der Eizellspende in Deutschland verhindere gerade keinen Reproduktionstourismus, der nun in die andere Richtung von spendewilligen Frauen aus dem Ausland erfolge, für die in Aussicht gestellte Aufwandsentschädigung Anreiz für die Spende sein könne.
Auch nach Ansicht des feministischen Frauengesundheitszentrums Berlin (FFGZ) und des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) ist die Eizellspende nicht problemfrei. Durch eine Legalisierung der Eizellspende würde die Waage zudem ein Stück weiter hin zu einer Normalisierung von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen ausschlagen, sagte Birgit Mock, Vizepräsidentin des KDFB.
„Wir sehen mit großer Sorge, dass mit allen Maßnahmen, die in Deutschland nicht nur machbar, sondern auch erlaubt sind, Frauen immer mehr in Zugzwang geraten und der Rechtfertigungsdruck ihnen gegenüber steigt, wenn sie Maßnahmen dieser Art nicht in Anspruch nehmen.“
Auf die Gefahr einer Kommerzialisierung der Eizellspende wies das Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften (BioSkop) hin: Erfahrungen aus dem Ausland zeigten, dass ohne finanzielle Anreize die Spendenbereitschaft der Frauen gering ausfalle. Diese neuen Ausbeutungsverhältnisse würden sich dann auch in Deutschland nicht vermeiden lassen.
Die Soziologin Susanne Schultz von der Universität Frankfurt am Main kritisierte, die FDP wolle einen fremdnützigen, invasiven, gesundheitsbelastenden und risikobehafteten medizinischen Eingriff legalisieren. Der Begriff Spende sei irreführend, denn es gehe nicht um eine selbstlose Gabe, sondern um einen Vorgang, der in einen global expandierenden, reproduktionsmedizinischen Markt eingebettet sei.
Die Bundesärztekammer (BÄK) befürwortet hingegen generell eine Legalisierung der Eizellspende, fordert aber erneut konsistente rechtliche Regelungen für die Reproduktionsmedizin insgesamt. Das mittlerweile 30 Jahre alte Embryonenschutzgesetz müsse angesichts neuer Erkenntnisse der Medizin und der gewonnenen Erfahrungen sowie zwischenzeitlicher gesellschaftlicher Wandlungen reformiert werden, sagte BÄK-Vizepräsidentin Heidrun Gitter vor dem Ausschuss.
Der FDP-Gesetzentwurf zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes sei ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er sich nur mit einer von vielen offenen Fragen der Reproduktionsmedizin befasse. Der Deutsche Ärztetage hätten sich wiederholt für klare und konsistente Regelungen in der Reproduktionsmedizin ausgesprochen, betonte Gitter. Zudem stelle das im vergangenen Sommer vorgelegte Memorandum der Bundesärztekammer neben der Eizellspende auch die Problempunkte „Dreier-Regel“ und „Embryospende“ dar.
Der Leiter des universitären Kinderwunschzentrums in Düsseldorf, Jan Krüssel, der auch wesentlich an der Erarbeitung des BÄK-Memorandums beteiligt war, stellte nochmals klar, dass der vorgelegte Gesetzesentwurf der FDP-Fraktion grundsätzlich aus reproduktionsmedizinischer Sicht zu begrüßen sei. Beratende Ärzte benötigten endlich Rechtssicherheit.
Auch die Ärztin und Medizinethikerin Claudia Wiesemann von der Universitätsmedizin Göttingen sprach sich für eine Legalisierung von Eizellspenden aus. Viele Argumente gegen die Zulässigkeit beruhten auf einem veralteten Kenntnisstand. Studien hätten gezeigt, dass die Risiken für die Spenderinnen vertretbar seien. Einem durch ökonomische Not oder schlechte Information verursachten Defizit für die Selbstbestimmung der Spenderinnen könne durch Regularien und staatliche Aufsicht entgegengewirkt werden.
Für die FDP-Fraktion hat die Anhörung gezeigt, dass es wissenschaftlich fundierte Argumente gegen eine Legalisierung der Eizellspende auch in Deutschland nicht gibt. Dass ideologisch getragene Argumentationsmuster gegen die Nutzung moderner Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin vorgetragen werden, wäre ja zu erwarten gewesen, sagte Katrin Helling-Plahr, FDP, dem Deutschen Ärzteblatt im Anschluss an die Anhörung.
„Verfassungsrechtlich wie auch politisch muss, das ist im Rahmen der Anhörung von mehreren Sachverständigen deutlich herausgestellt worden, das Selbstbestimmungsrecht im Zentrum der Debatte stehen“, betonte sie. „Es ist Unrecht, wenn der Gesetzgeber freiverantwortliche Spenderinnen gleichsam vor sich selbst schützen möchte.“
In Deutschland existierten hervorragende medizinische Bedingungen und man könne das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung sicherstellen. „Eizellspenden finden heute tatsächlich statt, wir treiben Betroffene, die sich zum Beispiel nach einer durchlebten Krebserkrankung ein Kind wünschen, aber ins Ausland“, argumentierte sie. „Der Gesetzgeber darf hiervor nicht länger die Augen verschließen, sondern muss Betroffenen auch in Deutschland die Möglichkeit geben, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen.“ © ER/aerzteblatt.de

Konservatives Deutschland - ins Ausland gezwungen!

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