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Medizin

SARS-CoV-2: Virusvarianten gefährden Wirksamkeit von Antikörpern – Auswirkungen auf Impfstoffe ebenfalls möglich

Donnerstag, 28. Januar 2021

/Siarhei, stock.adobe.com

New York und Galveston/Texas. Die Auswirkungen der SARS-CoV-2-Variante B.1.351, die sich von Südafrika aus verbreitet, auf die Effektivität von Antikörperpräparaten könnten größer sein als bisher angenommen.

Ein vom Antikörperhersteller Regeneron beauftragtes Labor kommt in bioRxiv (2021: DOI: 10.1101/2021.01.25.428137) zu dem Ergebnis, dass einzelne Antikörperpräparate ihre Wirksamkeit verloren haben, Kombinationen jedoch weiter wirksam sein könnten.

Auch die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer erzielten nur eine eingeschränkte Schutzwirkung. Ein von Biontech/Pfizer beauftragtes Labor kann dagegen in bioRxiv (2021: DOI: 10.1101/2021.01.27.427998) keine wesentliche Abschwächung der Impfstoffwirkung erkennen.

Das Labor um den bekannten Aids-Forscher David Ho, der an der Columbia University in New York zuletzt mit der Entwicklung eines HIV-Impfstoffs beschäftigt war, hat die neutralisierende Wirkung von 12 verschiedenen monoklonalen Antikörpern gegen die derzeit am weitesten verbreiteten Stämme von SARS-CoV-2 (mit der Mutation D614G) und die beiden wichtigsten „variants of concern“ B.1.351 und B.1.1.7 untersucht.

Diese beiden Stämme weisen ungewöhnlich viele Mutationen auf: B.1.1.7 enthält zusätzlich zur Mutation D614G (die auch die meisten derzeit prävalenten Viren aufweisen) 8 Spikemutationen, einschließlich 2 Deletionen (darunter Del 69-70) am N-termialen Ende. Hinzu kommen eine Mutation (N501Y) in der Rezeptorbindungsstelle und eine Mutation (P681H) in der Nähe der Furin-Spaltstelle (die das Virus ebenfalls zum Eindringen in Zellen benötigt).

B.1.351 enthält zusätzlich zu D614G 9 Spikemutationen, einschließlich eines Mutationsclusters am N-termialen Ende, drei Mutationen (K417N, E484K und N501Y) in der Rezeptorbindungsstelle und eine Mutation (A701V) in der Nähe der Furin-Spaltstelle.

Die Forscher haben die wichtigsten Mutationen in das Erbgut von Laborviren („Pseudoviren“) eingebaut und dann im Labor untersucht, ob 12 Antikörperpräparate (darunter die in den USA zugelassenen Mittel von Lilly und Regeneron) verhindern können, dass die Viren Vero E6-Zellen infizieren, was als Neutrali­sierung bezeichnet wird.

Gegen das britische Virus B.1.1.7 waren die meisten Antikörper wirksam, darunter auch die zugelassenen Präparate. Bei B.1.351 ist die Lage wesentlich ungünstiger. Eine Reihe von Antikörpern zeigte nur eine schwache oder gar keine neutralisierende Wirkung. Dazu gehören auch Bamlanivimab von Lilly und Casirivimab von Regeneron. Imdevimab von Regeneron war noch in der Lage, die Viren zu neutralisieren, so dass das Kombinationspräparat Casirivimab/Imdevimab auch gegen die südafrikanische Variante wirksam sein könnte.

Die Forscher haben auch herausgefunden, welche Mutationen für den Wirkungsverlust verantwortlich sind: Bamlanivimab findet aufgrund der Mutation E484K die Rezeptorbindungsstelle im Spikeprotein von SARS-CoV-2 nicht mehr. Casirivimab greift wegen der Mutation von K417N ins Leere.

Die Forscher haben auch die Schutzwirkung der Seren von 22 Personen untersucht, die die Impfstoffe mRNA-1273 von Moderna und BNT162b2 von Biontech/Pfizer erhalten hatten. Auch hier war ein Verlust der neutralisierenden Wirkung erkennbar. Er fiel gegen die britische Variante B.1.1.7 schwächer aus (1,8-fach bei mRNA-1273; 2,0-fach bei BNT162b2), als gegen die südafrikanische Variante B.1.351 (8,6-fach bei mRNA-1273; 6,5-fach bei BNT162b2).

Auch die Seren von rekonvaleszenten Patienten waren gegen die beiden Varianten schwächer wirksam. Von 20 Seren zeigten 11 eine mindestens 2-fach verminderte neutralisierende Wirkung gegen die britische Variante B.1.1.7. Gegen die südafrikanische Variante B.1.351 zeigten die Seren von 16 der 20 Rekonvaleszenten eine mindestens 2-fach verminderte neutralisierende Wirkung.

Nach den vom Hersteller Pfizer an der Universität von Galveston in Texas in Auftrag gegebenen Labor­experimenten fallen die Auswirkungen der Mutationen geringer aus. Das Team um Pei-Yong Shi hat ebenfalls Laborviren mit einzelnen Mutationen der Virusvarianten ausgestattet und dann die neutrali­sierende Wirkung der Seren von geimpften Personen untersucht.

Die Experimente wurden mit 3 verschiedenen Laborviren durchgeführt. Das erste Laborvirus enthielt ausschließlich die Mutation N501Y, die für die erleichterte Übertragbarkeit von B.1.1.7 und B.1.351 verantwortlich gemacht wird, die Immunogenität jedoch nicht beeinflusst. Shi konnte hier erwartungs­gemäß keine abgeschwächte Wirkung feststellen.

Im zweiten Experiment hatten die Laborviren neben N501Y die Mutation D614G und die Deletion 69/70. Diese Veränderungen kennzeichnen die britische Variante B.1.1.7. Auch hier war keine Abschwächung der Impfstoffwirkung erkennbar.

In der dritten Versuchsreihe wurden die Laborviren zusätzlich zu N501Y und D614G noch mit E484K ausgestattet, das nur in der südafrikanischen Variante B.1.351 vorkommt. Dieses Mal fiel die neutrali­sierende Wirkung durch die Seren der geimpften Personen etwas schwächer aus. Der Unterschied war jedoch gering, und Biontech und Pfizer geben sich zuversichtlich, dass ihr Impfstoff auch vor einer Infektion mit der südafrikanischen Variante B.1.351 schützt.

Ho ist hier wesentlich pessimistischer. Das Auftreten von B.1.1.7, B.1.351 und auch der brasilianischen Variante B.1.1.28 (mit den 3 bedenklichen Mutationen K417T, E484K und N501Y) sei ein klarer Hinweis auf einen Antigendrift. Mit den Mutationen bewege sich SARS-CoV-2 in eine Richtung, die „letztendlich dazu führen könnte, dass es unseren derzeitigen therapeutischen und prophylaktischen Interventionen, die auf die Virusspitze gerichtet sind, entkommt“.

Es könnte die Situation auftreten, dass „wir dazu verurteilt sind, dem sich verändernden SARS-CoV-2 kontinuierlich nachzujagen, wie wir es seit langem beim Influenzavirus tun“, lautet das Fazit des renommierten Forschers.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Laborexperimente die Pandemie nur teilweise abbilden können, zumal die Laborviren nur mit einzelnen Genen der britischen und südafrikanischen Varianten ausgestat­tet wurden. Die Untersuchungen des New Yorker Labors sind vermutlich ausführlicher, konzentrieren sich aber mehr auf die Antikörper und weniger auf die Impfstoffe.

Welche Auswirkungen die neuen Varianten tatsächlich auf die Wirksamkeit von Antikörperpräparate und Impfstoffen haben, werden die nächsten Wochen zeigen. © rme/aerzteblatt.de

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