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Medizin

Sputnik V: Russischer Impfstoff erzielt auch im Alter hohe Schutzwirkung

Dienstag, 2. Februar 2021

/picture alliance, TASS, Pavel Aleksandrov

Moskau – Der adenovirusbasierte Impfstoff Gam-COVID-Vac, besser bekannt als Sputnik V, hat in der Phase-3-Studie, deren Ergebnisse jetzt im Lancet (2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00234-8) veröffentlicht wurden, eine hohe Schutzwirkung von 91,6 % erreicht, die damit über den Ergebnissen des vergleichbaren Impfstoffs von Astrazeneca liegt. Schwere Erkrankungen wurden vollständig verhin­dert und Sicherheit­sprobleme sind offenbar nicht aufgetreten.

Der vom Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelte Impfstoff vermei­det den Designfehler der Vakzine AZD1222, der an der Universität Oxford konzipiert wurde und von AstraZeneca hergestellt wird. Die britischen Forscher hatten für beide Dosierungen dasselbe Adenovirus als Genfähre verwendet. Dies hatte (zumindest in der Gruppe mit einer hohen ersten Dosis) dazu geführt, dass die Auffrischung schwächer ausfiel, weil das Immunsystem nach der ersten Impfdosis Antikörper gegen das Adenovirus gebildet hatte.

Das russische Institut konnte dagegen auf die Erfahrungen bei der Entwicklung eines Ebola-Impfstoffes zurückgreifen. Dort hatte sich eine „heterologe“ Strategie mit unterschiedlichen Adenoviren für die erste und zweite Dosis als vorteilhaft erwiesen. Für Gam-COVID-Vac wurde deshalb bei der ersten Dosis das Adenovirus 26 und für die zweite Dosis das Adenovirus 5 verwendet.

Die Impfung erfolgte wie bei den anderen Impfstoffen intramuskulär. Die Adenoviren infizieren einzelne Zellen des Körpers, die dann das S-Protein produzieren. Das S-Protein löst eine adaptive Immunreaktion aus, die später vor Infektionen mit SARS-CoV-2 schützt (genauer bei einer Infektion eine Erkrankung vermeidet). Im Rahmen dieser Immunreaktion werden dann übrigens auch die Zellen zerstört, die das S-Protein bilden. Da die Adenoviren nicht zur Replikation fähig sind, wird eine dauerhafte Produktion vermieden.

Die jetzt von Denis Logunov und Mitarbeitern vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass es zu einer breiten Abwehrreaktion des humoralen und zellulären Immunsystems kommt. 42 Tage nach Beginn der Impfung wurden in 98 % der untersuchten Proben RBD-spezifische IgG-Antikörper mit einem mittleren geome­trischen mittleren Titer von 8.996 gefunden. Auch eine zelluläre Immunantwort war nachweisbar.

Gemessen wurde hier die Sekretion von Interferon-gamma durch Blutmonozyten nach der Stimulation mit dem S-Protein von SARS-CoV-2. Hier war 28 Tage nach der ersten Impfung eine laut Logunov starke Reaktion nachweisbar.

An der Phase-3-Studie nahmen an 23 Zentren in Russland 21.977 gesunde Erwachsene teil, die im Verhältnis 3 zu 1 auf 2 Dosen Gam-COVID-Vac oder zwei Dosen Placebo im Abstand von 21 Tagen randomisiert wurden. Primärer Endpunkt war die Zahl der bestätigten COVID-19-Fälle in den kommen­den 6 Monaten.

Nach den jetzt veröffentlichten Zwischenergebnissen sind in den ersten 21 Tagen, also bis zum Zeit­punkt der zweiten Impfung, in der Impfstoffgruppe 16 von 14.964 Teilnehmern (0,1 %) an COVID-19 erkrankt. Im gleichen Zeitraum kam es in der Placebogruppe zu 62 Erkrankungen auf 4.902 Teilnehmer (1,3 %). Dies ergibt rechnerisch eine Wirksamkeit des Impfstoffs von 91,6 % mit einem 95-%-Konfidenz­intervall von 85,6 bis 95,2 % (Die Schutzwirkung ist damit deutlich höher als bei AZD1222).

Laut Logunov lag die Schutzwirkung in allen Altersgruppen über 87 %. Bei den Teilnehmern über 60 Jahre betrug sie 91,8 % (67,1 bis 98,3 %) basierend auf 2 Erkrankungen unter 1.611 Teilnehmern (0,1 %) in der Impfstoffgruppe und 8 von 533 Teilnehmern (1,5 %) in der Placebogruppe.

Die Planer der AZD1222-Studie hatten nicht auf eine ausreichende Anzahl von älteren Menschen geachtet, was zu Verwir­rungen hinsichtlich der Schutzwirkung und zu unterschiedlichen Einschätzungen bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und der Ständigen Impfkommission (STIKO) geführt hat. Die EMA sprach sich für eine Zulassung in allen Altersgruppen und die STIKO gegen den Einsatz bei älteren Menschen aus.

Die Immunreaktion auf Gam-COVID-Vac war robust. Laut Logunov ist es in der Impfstoff-Gruppe zu keiner einzigen schweren Erkrankung an COVID-19 gekommen gegenüber 20 in der Placebogruppe. Dies ergibt eine Schutzwirkung gegen schwere Erkrankungen von 100 % (94,4 bis 100,0 %).

Die Schutzwirkung gegen die Erkrankung (alle Schweregrade) stieg mit der Dauer an. Nach 15 bis 21 Tagen, also noch vor der 2. Dosis, betrug sie bereits 73,6 %. Nach dem 21. Tag stieg sie auf 100 % an. Diese Zahlen lassen vermuten, dass eine einzelne Dosis ausreichen könnte. Sicher lässt sich dies jedoch nicht feststellen, da alle Teilnehmer 2 Dosierungen erhielten. Nach Angabe von Logunov ist jedoch eine weitere Studie zur Effektivität einer Einmaldosis geplant.

Sicherheitsprobleme sind nach der Publikation zu urteilen nicht aufgetreten. Es gab zwar 4 Todesfälle: 3 in der Impfstoffgruppe und einer in der Placebogruppe, was aber aufgrund der 3:1-Randomisierung keine Häufung bedeutet. Die Todesfälle waren zudem nicht auf die Impfung zurückzuführen. Ein Teilnehmer starb an einer Wirbelsäulen-Fraktur, die anderen beiden an COVID-19: 1 Patient mit schwerer kardiovas­kulärer Begleiterkrankung entwickelte am Tag 4 nach der ersten Dosis Symptome, der andere Patient mit endokrinologischer Komorbidität erkrankte am Tag 5 nach der ersten Dosis. Für beide kam die Impfung vermutlich zu spät.

Die Verträglichkeit scheint gut zu sein. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren grippeähnliche Erkrankungen, Reaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit („Asthenie“). Die meisten unerwünschten Ereignisse (7.485 von 7.966; 94,0 %) waren vom Grad 1. Insgesamt 451 unerwünschte Ereignisse waren vom Grad 2 (5,66 %) und 30 vom Grad 3 (0,38 %). Seltene unerwünschte Ereignisse wurden bei 122 Patienten beobachtet (91 in der Impfstoffgruppe und 31 in der Placebogruppe).

Der Anteil der Teilnehmer mit Begleiterkrankungen war mit fast 25 % (bei einem durchschnittlichen Alter von 45,4 Jahren) recht hoch. Das wirft zwar kein gutes Licht auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung, zeigt jedoch, dass die Impfwirkung durch eine Komorbidität nicht eingeschränkt wird.

Nach Angaben der russischen Behörden wird „Sputnik V“ bereits in mehr als 15 Ländern eingesetzt. Bis Ende nächster Woche sollen 9 weitere Länder hinzukommen. Der russische staatliche Direktinvest­mentfond strebt dem Vernehmen nach auch eine Zulassung in der EU an. © rme/dpa/aerzteblatt.de

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