Politik
Fachgesellschaften legen S3-Leitlinie zu Maßnahmen zur Schulöffnung während der Pandemie vor
Montag, 8. Februar 2021
Berlin – Erstmals liegt seit heute eine Leitlinie für Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle einer SARS-CoV-2-Übertragung an Schulen vor, die Schulen eine wissenschaftlich fundierte und evidenzbasierte Handlungsempfehlung zur Verfügung stellt.
Die Öffnung von Schulen müsse vorsichtig, Schritt für Schritt sowie auf wissenschaftlicher Basis erfolgen, betonte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei der Präsentation in Berlin.
Wann der Zeitpunkt dafür gekommen sei, müsse noch politisch entschieden werden. Darüber, wie eine Schulöffnung mit Blick auf das Infektionsgeschehen während der Pandemie erfolgen solle, gebe es jetzt aber wissenschaftlichen Konsens, sagte sie und verwies auf die S3-Leitlinie zu „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).
Ziel sei es, einen möglichst sicheren, geregelten und kontinuierlichen Schulbetrieb zu gewährleisten, sagte Karliczek. Die Empfehlungen der Leitlinie basierten auf den 40 aktuell verfügbaren Studien zur Wirksamkeit der entsprechenden Maßnahmen. Grundsätzlich sehen sie das Tragen von Masken, regelmäßiges Lüften, die Bildung fester Gruppen sowie einen entzerrten Schülerverkehr vor.
Erarbeitet wurde die Leitlinie von Experten aus 36 Fachverbänden und Organisationen unter Einbeziehung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie Eltern-, Schüler- und Lehrervertretern.
Federführend waren die vier Fachgesellschaften für Epidemiologie, für Public Health, für Kinder- und Jugendmedizin und für pädiatrische Infektiologie. Neben dem Blick auf die gesundheitlichen Wirkungen von Maßnahmen berücksichtigen ihre Empfehlungen auch die Akzeptanz und gesundheitliche Chancengleichheit, soziale Folgen, aber auch finanzielle und wirtschaftlichen Auswirkungen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte das Vorhaben im Rahmen seiner Förderung des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu COVID-19.
„Die Leitlinie ist eine lebende Leitlinie – das heißt, dass sie schnell aktualisiert werden soll und kann, um dem dynamischen Pandemiegeschehen Rechnung zu tragen“, betonte die Ministerin. „Wenn es das Infektionsgeschehen zulässt und die Entscheidung getroffen wird, die Schulen wieder zu öffnen, ist es notwendig, dass die Verantwortlichen vor Ort wissen, was zu tun ist. Jetzt können wir ihnen evidenzbasierte und von einer breit aufgestellten Gruppe getragene Handlungsempfehlungen an die Hand geben.“
Die Leitlinie umfasst Empfehlungen zu insgesamt neun Fragestellungen: zur Reduktion der Anzahl der Schülerinnen und Schüler im Präsenzunterricht, zum Tragen von Masken in Schulen, zum Infektionsschutz auf Schulwegen, zu Musik- und Sportunterricht, zum Umgang mit Verdachtsfällen und Quarantäne in den Klassen sowie zum Lüften und zur Luftreinigung in Schulen.
„Grundsätzlich gilt, dass alle Maßnahmen aufeinander abgestimmt umgesetzt werden müssen, um zu wirken“, erklärte Eva Rehfuess, Lehrstuhlinhaberin für Public Health und Versorgungsforschung an der Pettenkofer School of Public Health der LMU München. Ausgangspunkt sei ein Standard-Maßnahmenpaket, das sich an den allgemein in der Bevölkerung geltenden AHA+L Regeln zu Abstand, Hygiene, das Tragen einer angemessenen Maske und Lüften orientiere.
„Die Maßnahmen wirken nur im Paket“, betonte sie. Die konkrete Ausgestaltung richte sich nach dem lokalen Infektionsgeschehen.
Als wirkungsvoll erachten die Experten je nach Infektionsgeschehen die Bildung von Kohorten an Schulen, also die Einteilung von Schülern in feste große Gruppen und eine Trennung, etwa jahrgangs- oder klassenweise. Bei höheren Ansteckungszahlen wird Klassenteilung und Wechselunterricht empfohlen. Bei der Rückkehr in den Präsenzunterricht sollen Grundschüler priorisiert werden, da bei ihnen Distanzunterricht schwieriger zu realisieren ist.
Bei einem hohen Infektionsgeschehen sollen Schüler, Lehrer und Schulpersonal einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz (OP-Maske) tragen. Wer ein hohes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe hat, sollte eine FFP2-Maske im Unterricht aufsetzen. Auch im öffentlichen Personennahverkehr und in Schulbussen sollte eine OP-Maske getragen werden, meinen die Experten und raten gleichzeitig, das Personenaufkommen in den Verkehrsmitteln zu reduzieren. Dazu sollte der Unterricht zeitversetzt beginnen.
Ebenfalls befürwortet wird in dem Papier die Lüftungsempfehlung des Umweltbundesamtes: Alle 20 Minuten solle es drei bis fünf Minuten Stoßlüften geben. Mobile Luftreiniger sollen nur als ergänzende Maßnahme zum Einsatz kommen, wenn grundsätzlich ausreichend gelüftet werden kann.
Musikunterricht befürworten die Fachgesellschaften – sofern aerosolgenerierende Aktivitäten, wie Singen und Spielen auf Blasinstrumenten, vermieden wird. Entschiedener wird auch der Sportunterricht befürwortet. Die positiven gesundheitlichen Wirkungen würden die Risiken überwiegen, so die Experten. Das gelte zumindest dann, wenn Sport im Freien stattfinde oder in kleinen und konstanten Gruppen in Sporthallen.
Schülerinnen und Schüler mit typischen Symptomen (Geschmacks- und Geruchsstörungen, Fieber oder Husten) sollen erst nach einer symptomfreien Phase von 48 Stunden wieder am Präsenzunterricht teilnehmen. Hingegen sollen Kinder mit laufender Nase oder Halskratzen nicht in häusliche Quarantäne geschickt werden müssen. © ER/aerzteblatt.de

S3-Leitlinie zu Maßnahmen zur Schulöffnung

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