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Ärztlicher Pandemierat legt Schutzkonzept für Alten- und Pflegeheime vor

Mittwoch, 17. Februar 2021

/Bonsales, stock.adobe.com

Berlin – Mehr ärztlichen Sachverstand in die Bekämpfung der Coronapandemie einbringen – das ist das Ziel des Pandemierates der Bundesärztekammer (BÄK). Die interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe „Vul­nerable Gruppen“ des Gremiums hat nun ein Positionspapier „Schutzkonzept für Alten- und Pflegeheime: Lessons Learned“ vorgestellt.

Die Politik sei „bemüht“ gewesen, die Bevölkerung vor COVID-19 zu schützen, sagte der Geriater Jürgen Bauer dem Deutschen Ärzteblatt. Dennoch habe sie manche Entscheidung gefällt, die die Verhältnisse vor Ort nicht ausreichend einbezogen habe. Mit dem Papier will der Pandemierat nun eine Hilfestellung geben.

Ausgangspunkt für die eingehende Befassung mit diesem Thema seien zum einen die anhaltend hohe Zahl an COVID-19-Sterbefällen in den Pflegeheimen sowie zum anderen die auch in der zweiten Welle vielerorts zu beobachtenden schweren Ausbrüche in den Pflegeheimen mit vielen Infizierten unter den Bewohnern und dem Personal gewesen, erläutert Bauer, der wesentlich mit für die Erstellung des Pa­piers verantwortlich ist.

„Diese Ausbrüche waren lokal für einen hohen Prozentsatz der stationären Krankenhausaufnahmen ver­antwortlich und belasteten die Versorgungsstrukturen erheblich“, betonte der Geriater von der Universi­tät Heidelberg. Mit der Erstellung seines Papiers wolle der Pandemierat den Blick jedoch nach vorn rich­ten und Perspektiven für eine zukünftige Verbesserung der Situation aufzeigen.

Der Rat begrüßt, dass Heimbewohner und Heimmitarbeiter gemäß der Coronavirus-Impfverordnung und gemäß der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für die COVID-19-Impfung als prioritäre Gruppen eingestuft wurden. Auch zahlreiche Maßnahmen des Bundes und der Länder zur Verbesserung der Situation und Verminderung des Infektionsrisikos in den Alten- und Pflegeheime seien positiv. „Doch hat die Coronapandemie deutlich aufgezeigt, welche strukturellen Defizite bei einem relevanten Teil der Heime vorliegen“, so Bauer.

Pandemiebekämpfung: Zwischen Vorsicht und Zuversicht

Die parlamentarische Demokratie und ihre Repräsentanten ringen um die politischen Möglichkeiten bei der Bekämpfung der Pandemie: So sollen Verordnungen und Gesetze verlängert werden. Mit einer neuen Modellierung soll das künftige Impfgeschehen besser vorhersagbar werden. Es sind zwei Debatten im Deutschen Bundestag Mitte Februar 2021, jeweils mit 24 Stunden Abstand, die das Dilemma von politischen [...]

Für den ärztlichen Pandemierat steht jedoch fest: Eine Pandemie ist nicht aus der Versorgungsroutine heraus zu bewältigen. „Sie braucht zusätzliche Ressourcen“, erklärte Bauer. Und diese hätten vielen Heimen nicht so schnell zur Verfügung gestanden, wie es wünschenswert gewesen wäre.

„Daher sollten strategische Unterstützungskonzepte erstellt werden, die es gestatten werden, Engpässe bei zukünftigen Pandemien rascher zu überwinden und die präventive Leistung in den Heimen auf diese Weise zuverlässig zu stärken“, konstatiert der Geriater. „Wir werden in bessere Strukturen investieren müssen, wenn wir zukünftig besser vorbereitet sein wollen.“

In der Pflicht sieht der Pandemierat Bund und Länder. Sie müssten die Rahmenbedingungen für die Ver­besserung der diesbezüglichen Strukturen schaffen, wobei die Umsetzung dann auf lokaler Ebene unter­stützt werden müsse. In Krisensituationen benötigten die Einrichtungen auch die staatliche Unterstüt­zung bei der Beschaffung und Finanzierung von Schutzmaterialien.

„Die gegenwärtige Pandemie hat sich vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Pflege ereig­net, welcher einen wesentlichen Faktor für die Anfälligkeit der Heimstrukturen darstellt“, erläutert Bauer. Erkrankungen des Personals und die notwendigen Quarantänen hätten die Situation dann weiter ver­schlechtert. Wohlgemeinte Verordnungen wären so in der Praxis kaum umsetzbar gewesen.

Zudem weist der Rat in seinem Papier darauf hin, dass eine gute Hygieneprävention wiederholte Schu­lungen des Personals und gute Informationsvermittlung erfordere. „Eine Herkulesaufgabe“, so Bauer. Unterstützen könnten etablierte interdisziplinär und interprofessionell zusammengesetzte Teams, die Alten- und Pflegeheime beraten.

Ärztlicher Pandemierat: Konzepte mit Bezug zur Basis

Die Bundesärztekammer fordert seit Langem ein multiprofessionelles Beratungsgremium für die Coronaentscheidungen von Bund und Ländern und hat mit dem im letzten Jahr konstituierten ärztlichen Pandemierat einen Anfang gemacht. Erste Konzepte des Rates liegen bereits vor. Mehr ärztlichen Sachverstand in die Bekämpfung der Pandemie einbringen – das ist das Ziel des ärztlichen Pandemierates der [...]

„Diese Interaktion sollte nicht unilateral, sondern im Sinne eines Netzwerkgedankens verstanden wer­den“, heißt es im Papier. Auch die Einbindung der Hausärztinnen und Hausärzte sowie der Gesundheits­ämter sei für den Schutz der vulnerablen Gruppen wesentlich.

In weiteren interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppen des ärztlichen Pandemierats beschäftigen sich Ver­treter von BÄK, wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften und Öffentlichem Gesundheitsdienst (ÖGD) mit der Weiterentwicklung der Teststrategie sowie Konzepten zur Vermeidung von psychosozialen „Kollateraleffekten“ der Coronabekämpfung.

„Wir wollen den Handlungsbedarf in diesen Bereichen analysieren und auf dieser Grundlage in kompri­mier­ter Form möglichst konkrete Empfehlungen für die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern entwickeln“, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. „Die Mitglieder des Rats verfügen nicht nur über breite wissenschaftliche Expertise, sie arbeiten auch tagtäglich in den unterschiedlichen Bereichen der Patientenversorgung und der Virusbekämpfung. Diese Zusammensetzung ist in Deutschland einmalig.“

Bereits Ende vergangenen Jahres legte der Pandemierat ein Thesenpapier zur kontinuierlichen Verbesse­rung der nationalen Teststrategie vor. Erarbeitet hat es eine interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologe, der Laboratoriumsmedizin sowie der Allgemeinmedizin und Inneren Medizin einschließlich der Infektiologie.

Ein Kernpunkt des Papiers: Der Einsatz von Coronaschnelltests (PoC-Antigentests) kann trotz der limi­tier­ten Sensitivität dazu beitragen, Infektionen schnell zu erkennen. Negative Testergebnisse dürfen aber keinesfalls zu einer Scheinsicherheit führen und zu einem sorglosen Umgang verleiten.

Dies gelte jetzt unverändert, sagte Michael Müller, 1. Vorsitzende der Akkreditierten Laboren in der Me­di­zin (ALM) und Mitautor des Papiers, dem Deutschen Ärzteblatt. „Der Nutzen des Einsatzes von Anti­gen­schnelltests liegt im Wesentlichen in der schnellen Verfügbarkeit der Testergebnisse, beispielsweise im Bereich des Schutzes vulnerabler Gruppen.“

Neben der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Tests seien die ärztliche Begleitung und die Probenentnah­me durch geschultes Personal wichtige Voraussetzungen für verlässliche Ergebnisse, die dennoch nur Momentaufnahmen mit einer kurzfristigen Gültigkeit darstellen. „Positive Antigenteste sind mit der PCR zu bestätigen, um falsch-positive Befunde auszuschließen.“

Wichtig sei zudem, dass Testungen zum Nachweis von SARS- CoV-2 stets in ein gutes und wirksames Hy­gienekonzept eingebunden werden sollten, so der Rat. „Der Nutzen des Einsatzes von PoC-Antigentests hängt aber auch von der ärztlich begleiteten Umsetzung ab“, erläutert Müller. Hier gebe es sicher noch Informationsbedarf.

Auch deswegen werde sich die Arbeitsgruppe „Teststrategie“ des Pandemierates jetzt erneut beraten. Beschäftigen wolle sich die Arbeitsgruppe zudem mit der Diagnostik der neu aufgetretenen Mutationen des Coronavirus. „Ich gehe davon aus, dass wir unser Papier aktualisieren und dann als ergänzte Version dem Pandemierat vorstellen werden“, so Müller. © ER/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #106024
Mabued
am Freitag, 19. Februar 2021, 22:21

mein-wille

Wenn man die Gehälter in der Pflege denen in der Industrie anpasst, und auch für die plötzlich angeordneten Wechselschicht entsprechende Zuschläge zahlt (nicht mit lange vorher geplantem Schichtdienst zu verwechseln), werden in großer Zahl junge Menschen in die Pflegeausbildung strömen und Stewardessen und Hotelfachkräfte umschulen. Endlich erkennt man, dass man Pflegekräfte aus der Region reaktivieren muss – sie sprechen wenigstens die Sprache, die demente und taube alte Menschen in Pflegeheimen trotz Mundschutz vielleicht verstehen. So würden nicht mehr so viele positiv SARS-CoV-2 getestete Altenheimbewohner durch Exsikkose - ohne COVID-19-Symptome - versterben. Patienten in Isolation werden deutlich weniger aufgefordert zu trinken – trinken – trinken. Polymorbide Menschen mit einer unheimlichen Zahl an Dauermedikamenten rutschen bereits bei einem Flüssigkeitsdefizit von nur 500ml/d schnell in die Bewusstlosigkeit. So stirbt zur Zeit wahrscheinlich der größte Teil der Pflegeheimbewohner. Es fehlen die pflegenden Angehörigen, aus Zeitmangel werden Schutzkittel kaum gewechselt …
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